Die starke Marie de France - eine kraftvoll poetische Geschichte

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naibenak Avatar

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Als die 17-jährige Marie de France von der Königin Eleonore von Aquitanien (ihrer geliebten und über alle Maßen verehrten Halbschwester) verstoßen wird, um in einem verarmten englischen Kloster als neue Priorin die Leitung zu übernehmen, ist Marie am Boden zerstört. Allein ihr imposantes Äußeres (sie ist sehr groß mit kräftiger Statur) schindet Eindruck, und ihr starker Wille, verbunden mit großer Intelligenz, Nächstenliebe und Kreativität, lässt sie zur hoch angesehenen, jahrzehntelang verehrten Führungspersönlichkeit des Klosters wachsen.

Lauren Groff hat einen sehr besonderen Mittelalterroman geschrieben, angelehnt an die Dichterin Marie de France, die es tatsächlich gegeben hat. Sprachlich ist der Roman ein Genuss. Poetisch und kraftvoll vermittelt er ein umfangreiches und eindringliches Bild des Klosterlebens zur damaligen Zeit. Ein Leben, das von Frauen dominiert wird und von Marie geleitet. Hier beleuchtet Groff insbesondere die Beziehungen der Frauen untereinander: die gut durchdachte Arbeitsteilung, die Konflikte, die Erfolge, die Beziehung zur Priorin/ später Äbtissin Marie und insbesondere auch die Gefühlswelt Maries. Hier habe ich schon hin und wieder den Eindruck, dass sich Marie Höhenflügen hingibt, unter anderem gesteuert von bleibenden starken Gefühlen wie der Liebe zu Eleonore, der Königin, oder auch Darstellung ihrer eigenen Macht. Hier kann man selbstverständlich geteilter Meinung sein. Auch Frauen sind Menschen, die sich und ihre Gefühlswelt nicht permanent unter Kontrolle haben ;-)

Ich habe diesen Roman sehr gern gelesen, wenn auch der allerletzte Funke nicht überspringen wollte. Wahrscheinlich ist dies der Tatsache geschuldet, dass der Roman im Ganzen ein wenig unnahbar wirkt und distanziert. Macht aber nichts. Als geschichtliches Sittengmälde ist er sehr wertvoll, sprachlich ebenso. Kann ich empfehlen!