Eine Annäherung an das Leben der Marie de France

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Als Marie mit siebzehn Jahren von der Königin in ein Kloster irgendwo in die tiefste englische Provinz geschickt wird, ist sie zunächst verzweifelt. Ihr Leben am Hof und ihre Liebe zur Königin rücken damit in weite Ferne. Stattdessen ist sie umgeben von Armut und Kargheit. Doch bald schon erkennt Marie nicht nur ihre eigenen Stärken und Talente, sondern auch das Potential des Klosters und der Nonnen. Sie gibt sich nicht mit der passiven Rolle zufrieden, die für sie vorgesehen war und geht ihren ganz eigenen Weg.

Bevor man den Roman in die Hand nimmt, sollte man sich bewusst machen, dass er Marie de France und ihr Leben auf eine sehr freie Weise interpretiert. Das Leben der Nonnen im Kloster wird zwar glaubwürdig beschrieben und malt die Lebensbedingungen des 12. Jahrhunderts in kräftigen Farben. Aber Marie selbst wird zu einer Lichtgestalt idealisiert, die nicht nur alle Probleme des Klosters fast mühelos bewältigt, der bald ein Ruf als Heilige anhaftet, die all die kirchlichen Machthaber um ihren Finger zu wickeln weiß, sondern die vor allem nicht religiös ist und sich mir der Rolle, die die Kirche Frauen zur damaligen Zeit zuwies, widersetzt. Manch einer ihrer Texte mag diese feministische Darstellung berechtigen, gleichzeitig scheint manches zu überzogen, um der historischen Wirklichkeit entsprechen zu können.

Ich mochte Groffs Erzählstil und finde es auch mutig, dass sie sich wagt, über das 12. Jahrhundert und über eine Figur zu erzählen, deren Leben fast vollständig im Dunkeln liegt. Im Grunde ist es nämlich nur Marie de Frances Werk, das überliefert ist. Doch auch das muss an dieser Stelle erwähnt werden: Das Verfassen der zahlreichen Texte Marie de Frances spielt im Roman kaum eine Rolle, außer ganz zu Beginn. Dabei ist sie gerade für diese Texte bekannt.

Insgesamt überzeugt der Roman zu großen Teilen thematisch und durch seine Charaktere, hat aber immer wieder auch Längen und verliert sich zuweilen in etwas unglaubwürdigen Episoden. „Matrix“ ist kein perfektes, aber auch kein schlechtes Buch.