Es war einmal in England...

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Marie de France – vor der Lektüre von Lauren Groffs Roman „Matrix“ habe ich noch nie etwas von dieser historischen Frauenfigur gehört und musste mich zuerst schlau machen. Laut Wikipedia ist sie die erste bekannte französische Autorin, ihr Leben bleibt jedoch im Dunkeln. Bekannt ist nur, dass sie in Frankreich geboren wurde und am englischen Hof gelebt haben muss. Umso mehr war ich darauf gespannt, wie Lauren Groff dieses Unbekannte gestaltet und welche Charakterzüge und Eigenheiten sie ihr an“dichtet“.
Die Geschichte spielt im 12. Jahrhundert; Marie, groß, hager und nicht wirklich eine Schönheit, wächst nach dem Tod ihrer Mutter am Hof ihrer Halbschwester, Königin Eleonore, auf. Als Marie 17 ist, wird sie von Eleonore in ein abgelegenes Kloster geschickt, welches sie als Priorin leiten soll. Zunächst mag sie sich mit dieser ihr zugetragenen Rolle nicht so wirklich abfinden und hofft, bald wieder an den königlichen Hof zurückzukehren. Als sie jedoch merkt, dass dies nicht der Fall sein wird, nimmt sie die Geschicke des Klosters in die Hand und schafft es, aus diesem verwahrlosten und sehr armen Ort ein florierendes „Unternehmen“ zu machen, in dem die Nonnen selbstbestimmt und frei leben können.
Die Grundstimmung des Romans habe ich als eher düster, bedrückend, depressiv empfunden, was meiner Meinung nach sehr gut zum Mittelalter passt. Der monotone Schreibstil, ohne direkte Rede, trägt noch dazu bei. Leider hat mir dieser Schreibstil das Lesen erschwert, denn die Figuren, obwohl gut und teilweise relativ ausführlich beschrieben, sind mir fremd geblieben. Deshalb konnte mich der Roman bis zum Schluss nicht so recht begeistern. Ohne Frage sind die geschichtlichen Hintergründe gut recherchiert und die Geschichte baut im Verlauf eine starke feministische Aussage auf, aber die Figuren blieben blass.
Zuweilen war mir der Fokus auf die weibliche Kraft, die Liebe und die Selbstbestimmung etwas zu überzogen, zu pathetisch, zu idealisiert. Betrachtet man diesen Roman jedoch als das, was er ist, nämlich eine frei interpretierte, fiktive, fast schon märchenhaft anmutende Lebensgeschichte einer historischen Frauenfigur mit einem Augenmerk auf den Grundgedanken des Feminismus, so kann man durchaus Gefallen daran finden.