Interessante Diskussionsgrundlage

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holdesschaf Avatar

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Marie ist eine uneheliche Tochter des Königshauses, doch wegen ihrer Größe und ihres unweiblichen Aussehens taugt sie nicht für die Ehe. Daher wird sie von der Königin Eleonore, die sie liebt und verehrt, wie nichts auf der Welt, als Priorin in ein verarmtes Kloster geschickt. Dort warten Hunger, Kälte, Einsamkeit und Entbehrung auf Marie, die sich nichts als Freiheit und die Beachtung ihrer Königin wünscht. Durch geschicktes Agieren beginnt sie, das Kloster mit Hilfe der ihr bald nahestehenden Glaubensschwestern nach ihren Vorstellungen und Visionen zu gestalten, um wenigstens an diesem Ort Freiheit und Selbstbestimmung als Frau zu erlangen.

Ich bin durch das sagenhaft schöne Cover auf diesen Roman aufmerksam geworden. Auch wenn ich den Titel nicht mit dem Klappentext in Verbindung bringen konnte, so hatte ich doch gelesen, dass es sich hier eher um feministische Literatur handelt. Eher nicht so mein Fall. Doch die Leseprobe war so ausdrucksstark und bildgewaltig, dass ich mich trotzdem daran gewagt habe.

Zunächst hatte ich Mitgefühl mit Marie, die - durch eine Vergewaltigung gezeugt - früh die Mutter verlor, deren Erbe ihr von Männern genommen wurde und von ihrer Königin in ein trostloses Kloster verfrachtet wird, in dem sie dem Tod oft näher ist, als dem Leben. Doch man merkt schnell, dass Marie schlau ist und durchsetzungsstark, was auch an ihrem respekteinflößenden Äußeren liegt. Der Begriff Mannweib fällt im Buch. Man durchläuft mit Marie eine Entwicklung, die auch darauf zurückzuführen ist, dass sie unbedingt die Liebe und Aufmerksamkeit der Königin erlangen möchte, die sie verstoßen hat. Sie möchte beeindrucken, zeigen, dass sie als Frau etwas erschaffen kann, wobei sie auf mystische Weise beauftragt immer höher hinaus will. Da verliert sich dann etwas meine Sympathie.

Obwohl Glaubensschwester und Christin handelt die Protagonistin für mich zu sehr aus Eigennutz. Die mythische Komponente ist für mich ebenfalls schwer greifbar. Der Schreibstil der Autorin ist für das Setting im Mittelalter sehr passend, manchmal etwas abgehackt, an anderen Stellen verschachtelt, so dass ich konzentriert lesen musste, um alles zu erfassen. Man spürt, dass es damals oft ums nackte Überleben ging. Die körperliche Liebe zwischen Frauen ist ein wiederkehrendes Thema, ebenso die körperliche und geistige Stärke der Weiblichkeit und der Glaube/Aberglaube zur damaligen Zeit. Es ist eigentlich ganz interessant, das Klosterleben im Mittelalter, sollte es denn so gewesen sein, kennenzulernen. Ab und zu eingestreute lateinische und französische Ausdrücke sind unumgänglich.

Man merkt schon, die Autorin quetscht sehr viele Themen in diesen gut 300 Seiten starken Roman, der an manchen Stellen für mich dennoch nur schwer zugänglich war. Nur eines kommt so gut wie nicht vor: Männer. Bis auf einige Randbemerkungen, die jedoch nicht sehr schmeichelhaft sind. Die komplette Klosterwelt, die Marie erschafft, steht auf dem Fundament Frau. Männer werden kategorisch ausgesperrt. Etwas zu viel wird es dann, wenn angedeutet wird, dass große Katastrophen der heutigen Zeit nicht stattgefinden würden, wenn das Buch nicht so geendet hätte, wie es eben endet und Frauen früher ihre Kraft genutzt hätten. Das scheint mir allenfalls eine Gedankenspielerei zu sein.

Das Buch kann ich Lesern empfehlen, die sich für feministische Literatur interessieren. Auch für Buchclubs und Leserunden, in denen Bücher ausführlich diskutiert werden, bietet dieser Roman jede Menge Stoff. Mich hat der Roman zwar zum Nachdenken angeregt, aber seine grundlegenden Ideen habe ich nicht wirklich durchdringen können.

3,5 Sterne