Der Sog in die Tiefe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
nathi_taiwan Avatar

Von

Bevor ich überhaupt auch nur ein Wort zur Geschichte schreiben kann, muss ich zunächst einmal ein paar Worte zum Cover loswerden: Es ist wirklich das schönste Cover, welches ich seit langem in den Händen gehalten habe! Der Untergrund ist übersät mit Schuppen, von denen einige im Licht silbern glänzen. Davor ist die Silhouette einer jungen Frau abgebildet, die sich aus einem Korpus aus türkisgrünem Wasser, einfallenden Sonnenstrahlen und Meerespflanzen zusammensetzt. Mein Blick blieb dabei immer wieder an der halbrunden, goldgestreiften Schneckenmuschel hängen, welche sich auf mittlerer Kopfhöhe der Frau befindet. Das ließ bei mir direkt die Assoziation von Kindern aufkommen, die ihr Ohr an eine Muschel halten und erwarten, das Meeresrauschen in der Muschel eingefangen zu haben. Einfach wunderschön und melancholisch, diese Vorstellung!

Nun aber zum Inhalt: In welche Richtung sich die Geschichte entwickeln würde, habe ich schon früh vermutet. Denn dass es sich bei unserem männlichen Protagonisten Aris um einen Bewohner aus den Tiefen der Meere handelt, lässt sich schon durch den Untertitel, das Cover und gewisse Ereignisse zu Beginn der Geschichte erahnen. Als daher die Rede von einer allseits bekannten Unterwasserstadt aufkam, war ich nicht sonderlich überrascht. Was mir aber gefallen hat, ist wie die Autorin diese alte Geschichte originell aufarbeitet und sie geschickt mit neuen Elementen kombiniert und doch gleichzeitig in alte Sagen und Legenden einbettet. So ergibt sich eine sehr schlüssige Hintergrundgeschichte, die trotz ihrer phantastischen Elemente glaubwürdig klingt.

Was die Charaktere betrifft, so war Protagonistin Ella für meinen Geschmack manchmal etwas zu naiv, manchmal erschreckend mutig und waghalsig, aber es passt zu ihrer 17-jährigen Figur. Ihre innere Stimme, mit der sie sich gerne lustige Dialoge liefert, war hingegen sehr frech und hat mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht. Was ich an Ella geschätzt habe, ist, dass durch ihre gutherzige und hilfsbereite Art kein unnötiges Drama oder Gezicke in ihrer sich annähernden Beziehung mit Aris konstruiert wurde. Aris fand ich sehr sympathisch, einerseits hat er aufgrund seiner Herkunft dieses mysteriöse Flair, ohne dabei jedoch unnahbar oder abweisend zu wirken. Andererseits konnte ich die Last auf seinen Schultern gut nachvollziehen, die ihm so manch eine Entscheidung abverlangt hat. Sein bester Freund Som hat mir als Nebencharakter am besten gefallen, weil er nicht sofort durchschaubar ist (und natürlich auch nicht ganz menschlich;). Die Bernhardt-Schwestern und Ellas beste Freundin Lisa bleiben hingegen eher klischeehafte und eindimensionale Figuren am Rand, was ich sehr schade fand, da sie insbesondere das erste Drittel der Geschichte mitbestimmen.

Ein weiterer Grund, warum die Geschichte abschließend doch kein Highlight (trotzdem ein großartiges Buch!) für mich geworden ist, lag an einigen Handlungsabläufen. Gerade ab der zweiten Hälfte folgen Abenteuer, Gefahren und Verstrickungen Schlag auf Schlag, als Leserin konnte ich gar nicht zur Ruhe kommen und diese neue Welt genießen und kennenlernen, weil ich die ganze Zeit mit den Charakteren von einer Bedrohung ins nächste Schlamassel gestolpert bin. Ein, zwei Verfolgungsjagden weniger hätten die Geschichte meiner Meinung nicht weniger spannend gemacht.

Abschließend kann ich jedoch sagen, dass „Meeresglühen“ ein origineller und toller Auftakt einer Reihe ist, deren Nachfolgebände ich auf jeden Fall weiterverfolgen werde. Ich denke, das Buch ist ideal für junge Leser:innen ab 14 Jahren, die einen Hauch Romantik und eine Prise Fantasy schätzen. Durch sein außergewöhnliches Setting sticht dieses Buch auf jeden Fall unter anderen aktuellen Erscheinungen in diesem Genre hervor und ist eine erfrischende Abwechslung!