Eine wunde Seele

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
lesen-lesen Avatar

Von

Lindas Leben als glückliche und heile Frau endet abrupt mit dem Tod ihrer 17jährigen Tochter, die ein Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen hat. Daniela Krien beschreibt eine Mutter, die am Umgang mit dem Schicksal verzweifelt, die nicht weiß, wie und ob sie weiter leben kann. Auch ihr Mann Richard kann ihr nicht helfen, ihr trauern ist nicht seins, lange hat er Geduld mit ihr. Doch die Menschen aus Lindas Umgebung ermüden an ihrem Leid, so dass sie fast nur noch fremde Menschen ertragen kann. Gequält zwischen Rückzug und Einsamkeit gelingt es Linda ganz allmählich und in winzigen Schritten, einen Aufbruch in ihr drittes Leben zu finden.
Sehr emphatisch beschreibt die Autorin das Leiden einer Mutter, die Qualen, die Hoffnungslosigkeit, die Hilflosigkeit und manchmal auch die entstehende Wut. Vor allem die schlimmen Nächte, die auch erträgliche Tage wieder einreißen: "Jede Nacht ist ein Schlund, durch den ich gepresst und am anderen Morgen zurück in die Welt geworfen werde", S.196. Und trotzdem ist es kein deprimierender Roman, lässt einen dieses Buch nicht traurig zurück. Krien gelingt es, dass man als Leser*in mitfühlt mit dieser von Trauer erdrückten Frau, ihre Beschreibungen sind einfühlsam und erstaunlich nachvollziehbar. Doch bewundert man auch die Kraft von Linda und ihre Versuche, wieder einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Und das sie es schafft, sich mit Gartenarbeit und sozialem Engagement bis zu einem Zustand zu kämpfen, in dem sie von sich sagen kann: es geht mir gar nicht schlecht.
Dieser Roman fesselt einen beim Lesen, trotz des traurigen Themas. Das liegt vor allem an der Autorin, die Gefühle so grandios beschreiben kann und sie mit genau den richtigen Worten auszudrücken versteht.
Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die nicht nur leichte Urlaubslektüre mögen. Und vielleicht auch jene, die selber einen ähnlichen Verlust und tiefste Trauer ertragen mussten.