Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens

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adelheid von buch Avatar

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Aysel ist ein sechzehnjähriges amerikanisches Mädchen. Sie hat verschiedene Probleme, mit denen sie allein ist und mit denen sie nicht fertig wird. Die Eltern sind getrennt, die Mutter hat einen neuen Partner und es gibt zwei neue Geschwister. Der Vater sitzt im Gefängnis wegen Totschlags. Alles ist so schlimm für sie, dass sie am liebsten tot sein möchte.
Auf einer speziellen Dating-Seite im Internet, auf der Selbstmörder-Anwärter einen Partner suchen, mit dem zusammen sie „es durchziehen“ können, lernt sie Roman alias „FrozenRobot“ kennen. Da ist endlich jemand ähnlicher Situation, mit dem sie offen über ihren Wunsch, nicht mehr auf der Erde zu sein, reden kann. Da ist jemand, der diesen Wunsch auch kennnt, der ebenso in seelischer Bedrängnis ist wie sie.
Roman hat ein konkretes Datum für den Tag, an dem er sterben möchte. Dieser Tag ist bei Beginn des Buches in 26 Tagen. Aysel ist es recht. Sie treffen sich, um zu besprechen, wie sie es anstellen wollen, wie sie das mit den Abschiedsbriefen machen wollen, verbringen Zeit miteinander. Auf Grund der besonderen Situation sind die beiden von Anfang an ehrlich zueinander. Keiner muss dem anderen etwas vormachen. Aysel ist vom ersten Moment an sehr angetan von Roman. Sie ist neugierig zu erfahren, warum so ein toller Junge wie er, der Erfolg in der Schule hat, der Freunde hat, der eine tolle Familie hat, warum so ein Junge tot sein möchte.
Es stellt sich heraus, dass der Tag, den Roman für sein Sterben vorgesehen hat, der Jahrestag ist, an dem seine kleine Schwester, auf die er aufpassen sollte, in der Badewanne ertrank. Die eigene Schuld und die Unmöglichkeit, das Geschehene rückgängig zu machen, belasten ihn so sehr, dass es ihn buchstäblich umbringt.
Der Schritt, dem Schmerz nachzugeben, setzt eine Prozess in Gang, in dem die beiden jungen Leute sich gegenseitig zuhören, der Katastrophe Ausdruck geben und dadurch beginnen, sich damit auseinanderzusetzen. Die Geschichte beschreibt sehr schön, wie schlimm der seelische Schmerz sein kann, der einen in den Tod treibt. So schlimm, dass man die schönen Momente nicht mehr wahrnehmen kann, dass man sich selbst nicht mehr spüren kann und dass man nicht erkennen kann, welche Bedeutung man für andere hat. Wie wäre es wohl für Romans Mutter, wenn am Todestag ihrer kleinen Tochter nun auch noch ihr Sohn sterben würde! Die Geschichte zeigt, wie die Katastrophe sich anbahnen kann, ohne dass irgendwer in der Umgebung etwas davon mitkriegt. In der Schule ist alles wie immer. Auch die Eltern bemerken nichts.
Aber die Erlösung geschieht auf für die Helden unerwartete Weise. Sie verlieben sich ineinander. Aysel wird sich als erste darüber klar. Sie möchte wieder leben. Sie sagt: „Ich will stärker sein als meine Traurigkeit.“ Und sie möchte, dass Roman auch lebt. Sie hat wieder Lust, Dinge zu tun, Ziele im Leben anzugehen. Für Roman ist es schwerer, er versucht ohne eine Vorankündigung und allein, sich mit Kohlenmonoxid zu vergiften. Aysel und seine Mutter finden ihn gerade noch rechtzeitig. Er kann das Leben immer noch nicht annehmen. Aber Aysel wird um ihn kämpfen. Seine Familie wird um ihn kämpfen.
Die Protagonisten agieren originell, absolut ehrlich und teilweise schwarzhumorig.
Ohne Zweifel ist das hier ein sehr wichtiges Buch. Ehrlich und ohne Berührungsängste wird ein tabuisierter Bereich thematisiert. Das Ende ist optimistisch aber nicht rosarot. Die Schwierigkeiten und die seelischen Schmerzen werden bleiben. Aber die Protagonisten können einander helfen, damit fertig zu werden.