Sven Hannawald

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
linus63 Avatar

Von

Wie viele erfolgreiche Menschen hat Sven Hannawald nach seinen großartigen Erfolgen dem Druck der Öffentlichkeit und seinen eigenen Erwartungen nicht standgehalten. Seine Diagnose lautete Burnout. In seiner vorliegenden Biografie erzählt er von seinem langen Weg zum Erfolg, seinem tiefen Fall und welche Anstrengungen und Veränderungen nötig waren, um aus diesem Tal dauerhaft herauszufinden.

Er beginnt detailliert und passend tituliert mit dem Kapitel "Zwischen Himmel und Hölle", vom Moment seines größten Erfolges, und dem absoluten Tiefpunkt 841 Tage später, als er Hilfe in einer Klinik sucht. Dieser vielversprechende Einstieg mit zwei ganz prägnanten und sehr persönlich geschilderten Momenten seines Lebens verschafft mir als Leser einen Bezug zum Menschen Sven Hannawald und weckt hohe Erwartungen an den Rest seiner Geschichte, die sich - vorweg genommen - leider nicht ganz erfüllen. Seine Biografie startet anschließend im Kleinkindalter, schlüssig und nachvollziehbar ohne ausschweifend zu werden, ein Stil, der mir sehr zusagt. Leider bleibt er recht bald auf der Strecke und weicht vielen und ausführlichen Schilderungen des Sportförderungssystems der DDR, teilweise mit Zitaten damaliger Sportfunktionäre und ideologischen Auszügen aus Trainingstagebüchern. Dies bringt zwar den Zeitgeist während Hannawalds Jugend klar zum Ausdruck, doch er berichtet lediglich äußerst distanziert und fast schon emotionslos von diesen, durch lange Abwesenheit von zu Hause geprägten Jahre. Auch seine anschließende Umsiedelung in den Westen nach Hinterzarten und seine weitere Karriere sind sehr nüchtern und mit vielen fachlichen Informationen über Skispringen gespickt, und die Lektüre hat stellenweise die Züge eines Sachbuches. Persönlicher wird es erst in Interviews mit Familie, Freunden und Wegbegleitern und gegen Ende, als ich bei Hannawalds "Absturz", dem diagnostizierten Burnout und seiner Auseinandersetzung mit seiner Situation etwas mehr über ihn als Menschen erfahre. Hier gewährt er mir endlich einen kleinen, doch nachvollziehbaren Einblick in seine Gefühle und seine Psyche, seine Problematik, und seinen langen Weg zurück zu seiner Souveränität und zu einer neuen Herausforderung in seinem Leben. Jedoch bezweifele ich, dass diese kurze und meiner Meinung nach recht oberflächliche Ausführung seinem Anspruch gerecht wird, Menschen in ähnlichen Situationen Mut zu machen, wie er in seinem Vorwort betont.

Die gerade mal 200 Seiten umfassende Biografie ist einfach zu lesen und durch viele Teilabschnitte mit jeweils eigenen Überschriften innerhalb der einzelnen Kapitel geprägt. Was ich anfangs als angenehm und abwechslungsreich empfand, bremste zunehmend den Lesefluss und erweckte teilweise sogar einen abgehackten Eindruck ohne fließenden Übergang. Das Buch ist aufwändig gestaltet, ansprechend mit vielen Fotos aufgelockert, macht durch farbigen Druck auf Hochglanzpapier einen wertigen Eindruck und liegt schwer in der Hand. Ich mag derart gestaltete Biografien sehr gerne, da die Geschichte nicht nur trocken zu lesen ist, sondern anschaulich und bunt wird und ich mir ein realistisches Bild machen kann. Im vorliegenden Band drängt sich mir aber spätestens beim dritten Foto seiner Psychotherapeutin ein wenig der Verdacht auf, dass das Buch durch die vielen Fotos ein wenig dicker werden soll. Dieser Eindruck wird durch die vielen kleinen Abschnitte mit großer Überschrift und einem Absatz am Ende noch verstärkt.

Hannawalds Biografie ist interessant, aber sehr sachlich und streckenweise fast unpersönlich geschrieben, wobei mir der Fokus zu sehr auf den Sport gerichtet ist. Seine Persönlichkeit und der Anstoß dieses Buches, sein Umgang mit seinem Burnout und dessen Überwindung, treten dabei leider in den Hintergrund.