Ein ganz besonderes Buch!

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Über das Aufwachsen mit nicht diagnostiziertem Asperger, einer Form des Autismus, schreibt Judith Visser in ihrem Roman „Mein Leben als Sonntagskind“. Der Roman dreht sich um die Protagonistin Jasmijn und begleitet sie vom Kindergartenalter an bis in ihre Zwanziger hinein. Jasmijns Geschichte ist eindeutig autobiografisch beeinflusst, denn auch die Autorin Judith Visser erfuhr erst als junge Erwachsene von ihrem Asperger-Syndrom.

Der Roman umfasst sehr viele verschiedene und chronologisch sortierte, aber nicht unbedingt zusammenhängende Situationen in Jasmijns Leben, die zeigen, wie anders Jasmijn ihre Umgebung und soziale Interaktionen wahrnimmt. Diese Form halte ich für sehr gut gewählt, da die Autorin sehr vielfältige Auszüge aus Jasmijns alltäglichen aber auch besonderen Erlebnissen schildert, ohne dabei zu langweilen. Die Kombination aus interessanten und vor allem authentischen Einblicken in ein Leben mit Asperger und der persönlichen Entwicklung und Interessen von Protagonistin Jasmijn machen das Buch für mich zu etwas ganz Besonderem.

Ein zentraler Aspekt von Asperger ist häufig das von der Norm abweichende Sozialverhalten. So nehmen auch in „Mein Leben als Sonntagskind“ Jasmijns Gefühle und Gedanken zur aus ihrer Sicht sehr anstrengenden Kommunikation mit anderen Menschen einen großen Platz ein. Judith Visser stellt außerdem die Reaktionen ihrer Familie, Freunde, Klassenkameraden und fremder Menschen auf Jasmijns Verhalten dar. Diese sind auch unabhängig von der Beziehung der Menschen, in der sie zu Jasmijn stehen, sehr unterschiedlich und führen vor Augen, wie schwierig Kommunikation ganz abseits von Asperger sein kann und wie stark bzw. schwach Empathie, Verständnis und Reflexion bei verschiedenen Menschen ausgeprägt sein können.

Mit knapp über 600 Seiten wirkt das Buch zunächst wie ein dicker Wälzer, der in Kombination mit einem sensiblen Thema wie Asperger den Anschein erweckt, viel Zeit und Kraft der Leserin bzw. des Lesers in Anspruch nehmen zu wollen. Tatsächliche empfand ich Jasmijns Geschichte aber als sehr spannend, kurzweilig erzählt, unterhaltsam und berührend. Vom Umfang des Buches und dem Kontakt mit Asperger sollte sich keine potentielle Leserin bzw. Leser abschrecken lassen.

Ich bin sehr froh, dass ich diese authentische Geschichte rund um Jasmijn, in der mit Sicherheit sehr viel der Autorin Judith Visser steckt, lesen durfte und somit einen komprimierten und spannenden Einblick in das Aufwachsen mit Asperger gewonnen habe.