Einblick in eine andere Lebenswelt

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apomaus Avatar

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Jasmijn Vink ist anders. Sie fühlt anders, sie ist in anderen Situationen glücklich, sie lernt anders, sie hat andere Ängste. Ständig und immer wieder stößt sie an Grenzen, ihr ganzes Leben lang muss sie sich zu fast allen Alltagshandlungen zwingen und ihren inneren Widerwillen überwinden. Einzig Senta, ihr geliebter Hund, erlaubt ihr, sie selbst zu sein und sich einfach nur wohlfühlen zu können.
Judith Visser beschreibt Jasmijns Gefühlswelt authentisch, nachvollziehbar und nachfühlbar. Manchmal ist sie vielleicht ein bisschen zu ausführlich, aber das ist wohl dem Drang geschuldet, dieses andere Erleben begreifbar zu machen, obwohl es doch so unbegreiflich scheint. Manchmal möchte man Jasmijn ja zurufen, hopp, mach doch, das ist doch ganz einfach - aber das ist es nicht. Autismus ist eben keine Entwicklungsstörung, die sich "verwächst", die unsichtbare Mauer um Jasmijn herum wird nie kleiner.
Ich war wirklich ergriffen von der Schilderung der Kindheit und frühen Jugendjahre von Jasmijn. Jederzeit konnte ich mich gut in sie hineinversetzen, so einfühlsam und glaubwürdig ist sie beschrieben. Und dass die anderen Personen in ihrem Leben eher Randfiguren bleiben, ist, denke ich, genau so gewollt - denn sie hat ja massive Schwierigkeiten, ihre Gefühlswelt zu verstehen.
Obwohl die Beschreibung der Schulzeit dann doch ein wenig lang gerät, geht der Spannungsbogen nicht verloren. Einzig die Schlusswendung, dass Kirstin nun auf einmal Sonderpädagogin geworden ist (sie kennt sie doch von der Handelsschule!) erscheint mir etwas konstruiert, aber das tut dem Gesamteindruck keinen Abbruch.
Kein Feelgood-Buch, keine leichte Ferienlektüre, im Gegenteil, eine Schilderung, die unter die Haut geht und lange nachhallt. Beeindruckend.