Intensives Lesen

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Inhalt
Jasmijn Vink ist ein normales sehr beliebtes Mädchen, das gern mit Freunden abhängt und das Leben genießt. Allerdings ist so nur die Jasmijn im Tagebuch der echten, denn die lebt sehr zurückgezogen und besitzt kaum Freunde. Da ist nur ihre Hündin Senta, mit der sie viel Zeit verbringt, denn sie versteht Jasmijn und überfordert sie nicht. Nicht wie das Leben und der Alltag in Kindergarten, Schule und zu Hause. Immer ist es zu hell, gibt es zu viele Menschen an einem Ort und die erwarten stets Dinge, die Jasmijn ihnen nicht geben kann. Das Mädchen wächst heran und versucht, sich allen anderen anzupassen, was schwer genug für sie ist. Erst mit zwanzig weiß sie, warum sie so ist, wie sie ist: Jasmijn hat das Asperger-Syndrom.


Meinung
Judith Visser hat einen sehr berührenden Roman geschrieben, der sich trotz seiner knapp sechshundert Seiten schnell weglesen lässt. Die Autorin erzählt eine fast autobiografische Geschichte, denn auch bei ihr wurde erst spät Jasmijns Diagnose gestellt. Sie weiß also, wovon sie schreibt und bleibt dabei einfühlsam und natürlich, abseits der sonst üblichen humorigen Darstellung.
Dabei beginnt sie in Jasmijns Kindheit; sie ist vier Jahre alt, als sie in den Kindergarten kommt. Dort ist es laut und grell, die anderen Kinder schreien durcheinander, die Erzieher erwarten, dass man sie ansieht und glauben nicht, dass Jasmijn lieber allein in der Ecke sitzen will – und bereits lesen kann. Auch später in der Schule wird es kaum besser, viele Freunde besitzt das Mädchen nicht, selbst ihre Cousinen halten sie für eingebildet, weil sie nicht so reagiert, wie sie es sollte. Doch Jasmijn beißt sich durch und schließlich lernt sie Kirstin kennen, die sie so nimmt, wie sie ist. Kirstin, die später Lehrerin wird und Jasmijn darauf bringt, sich doch einmal testen zu lassen.
Auch die Liebe hält Einzug in Jasmijns Leben, allerdings auch hier nicht wie im Bilderbuch, sondern mit allen Eigenheiten, die das Mädchen so hat. Da sie nicht gern angefasst wird und zudem auch nicht versteht, warum man jeden Tag, statt einmal alle paar Wochen aufeinandertreffen sollte, läuft es eher schleppend.
Besonders hervorzuheben ist aber Jasmijns Mutter, die nicht zulässt, dass man ihre Tochter aufgrund deren Verhalten ausgrenzt. Die sie so nimmt, wie sie ist, auch wenn sie sie selbst oft nicht versteht. Generell die sehr liebevolle, schützende Familie, der Jasmijn viel zu verdanken hat. Aber auch in der Schule, wenn das Mädchen ihre Eigenheiten durchsetzt und in etwa oft dem Unterricht fernbleibt, wird sie genommen, wie sie ist, ohne dass ihr ein Strick daraus gedreht wird.
Visser schreibt sehr klar und manchmal ein wenig nüchtern. Ihre Kapitel sind sehr kurz, weshalb es einfach ist, ihr zu folgen. Mittig beginnt die Geschichte kurz sich zu ziehen, weil sich das meiste eben schlicht endlos zu wiederholen scheint. Die Hoffnung, auch etwas über Jasmijns Leben nach Diagnosestellung zu erfahren und zu sehen, was und wie sich etwas ändert, wird leider nicht erfüllt, was dem Lesevergnügen jedoch nicht schadet. Visser schildert Jasmijn in einem gewöhnlichen Alltag vieler Familien, verzichtet auf eine humorige Überzeichnung und schafft es so, feinfühlig und authentisch das Leben mit Autismus darzustellen. Ein sehr intensives Lesen und darum sehr gern weiterempfohlen.