Von der Vergänglichkeit des Lebens

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Molly ist erst 40 Jahre als sie plötzlich ins Koma fällt. Die Filmkritikerin hatte bis jetzt ein aufregendes Leben in New York mit einem Job, den sie liebte, vielen Reisen und Freunden. Sie nahm das Leben, wie es kam und machte aus allem das Beste. Die mentholzigarettenrauchende Karierefrau brachte viele zum Lachen und schien nie vor unüberwindbaren Hürden zu stehen. Während in Paris die Weihnachtsdekoration in der Wohnung verteilt wird, erreicht die Nachricht um Mollys Aneurysma ihre Kollegin und Freundin. Den Schreck und die folgende Sorge um die Freundin teilt uns die Ich-Erzählerin in ihrem Monolog mit. Nach dem ersten Besuch in New York schreibt sie Molly Briefe, um ihr hinterher die verlorene Zeit näher zu bringen. Sie erinnert sich an die jährlichen Treffen zur Jahreswende und teilt ihr ihre Gedanken zur Genesung mit. Endlich, nach Monaten des Schweigens, erwacht Molly und offenbar scheint eine Genesung nicht unerreichbar.

Michèle Halberstadt beschreibt in ihrem Roman das Leben zweier Frauen, die trotz aller Unterschiede beste Freundinnen sind. Sie teilten bisher schöne Erinnerungen, die nun durch diesen gravierenden Einschnitt wie ein Strohhalm wirken. Nach den anfänglichen aufmunternden Worten an die Freundin wechselt der Tenor. Der Leser erfährt von den Alltagssorgen um die Pariser Familie und wie sie sich vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Probleme Mollys in Nichtigkeiten wandeln. Ein paar Wochen weiter kann man der Frage folgen, was Freundschaft bedeutet, wenn eine Seite plötzlich mehr nehmen als geben muss. Die Menschen, die nicht unmittelbar betroffen sind, wenden sich wieder ihrem Alltag zu und verbringen weniger Zeit mit dem Patienten. Angehörige stellen sich auf die neuen Begebenheiten ein und versuchen mit all ihrer Kraft, auftretende Probleme zu lösen. Die Zerbrechlichkeit zwischenmenschlicher Bindungen wird hier ohne Schuldzuweisungen deutlich, sodass jede Handlung ihre Berechtigung bekommt.

Das Buch bewegt mit seiner empfindsamen Ansicht auf ein Thema, das alle zu jeder Zeit betreffen kann. Der Verlauf der Genesung wird hoffnungsvoll, aber gleichzeitigt auch erschütternd geschildert. Kaum ein Leser kann sich der nachdenklichen Stimmung am Ende entziehen. Im Idealfall ist man sensibilisiert, was das Thema Freundschaft und Zusammenhalt betrifft. Ebenfalls teilen die Beobachtungen im Krankenzimmer den Kampf um das Wiedererlangen der Gesundheit mit, oder die Zeit der Resignation, wenn die Erfolge ausbleiben. Die Autorin schafft damit eine glaubhafte Szenerie, die sich auf das Wesentliche im Umgang miteinander reduzieren lässt. Auf knapp 160 Seiten werden unzählige Emotionen untergebracht, die am Ende lange nachhallen. Von daher ist es ratsam, seine Lesezeit sorgsam zu wählen.