Frauen im Schatten des Vesuv

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"Lila trat in der ersten Grundschulklasse in mein Leben und beeindruckte mich sofort, weil sie ausgesprochen frech war." (S.31) Dies sagt Elena Greco, genannt Lenuccia oder Lenù über Raffaella Cerullo, von allen Lina gerufen, nur von Elena wird sie Lila genannt. Die Schuhmacherfamilie Cerullo und die Familie des Pförtners Greco leben in einem Kleineleuteviertel Neapels, in denen sich Familien seit Generationen befehden, es gelegentlich handgreiflich, immer aber verbal derb zugeht. Lila ist wild und mutig, Elena eher schüchtern, aber sehr beflissen. Im ersten Band der auf vier Bände angelegten Saga wird die Kindheit und frühe Jugend der besten Freundinnen in Neapel der fünfziger Jahre beschrieben. Das Titelbild zeigt die Rückenansicht von beiden in ähnlichen Kleidern in einem atmosphärisch sehr schönem Blau. Der Titel des Romans "Meine geniale Freundin" ist nicht eindeutig. Zunächst geht man davon aus, dass damit Lila gemeint ist, weil der Roman aus der Perspektive von Elena geschrieben ist, aber das ist nicht gewiss. Eingeleitet wird der Roman mit einem Verzeichnis der handelnden Personen, die nach Familienzugehörigkeit geordnet sind. Der Roman begibt sich auf Spurensuche, denn im Prolog wird berichtet, dass Rino, der Sohn von Lila, sich bei Elena, die mittlerweile in Turin lebt, meldet, um ihre Hilfe zu erbitten, da Raffaela Cerullo unter Mitnahme aller ihrer privaten Dinge seit zwei Wochen unauffindbar ist. Elena beurteilt das Verschwinden von Lila als übertrieben und meint, dass sie mit sechsundsechzig Jahren nicht nur verschwinden, sondern auch das ganze Leben auslöschen wollte, das sie bislang gelebt hat. Das ist dann auch der Schreibanlass für Elena, um sich ans Werk zu machen die Geschichte der beiden Frauen nachzuerzählen. Der Einstiegsband hat mir sehr gut gefallen. Der Autorin Elena Ferrante gelingt es vortrefflich die Atmosphäre dieses Stadtviertels einzufangen und die beiden Hauptpersonen zu charakterisieren, ohne dass auf den rund 400 Seiten ein Hauch von Langeweile aufkommt. Ich bin aber etwas skeptisch, ob das für drei weitere Bände auch so beurteilt werden kann.