Gruselige Abgründe einer scheinbar normalen Familie

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rinoa Avatar

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Millicent, ihr Mann und die beiden Kinder führen ein nach außen hin völlig normales und vielleicht sogar ein bisschen langweiliges Leben. Sie sind nicht reich, leben aber privilegiert mit Privatschulen, Golf und einem großen Haus.
Doch dann passiert etwas, das ihr mühsam aufgebautes Leben zum Einstürzen bringen könnte und Millicent und ihr Mann machen aus der Not eine Tugend. Und mehr noch – sie finden sogar Gefallen daran.

Wow, was für eine Geschichte! Zunächst einmal ist „Meine wunderbare Frau“ wahnsinnig gut geschrieben. Durchgehend in Ich-Form aus der Perspektive des Ehemanns, der sich manchmal Tobias nennt, dessen wahren Namen der Leser allerdings nicht erfährt.
Bis man das ganze Ausmaß des Geschehens erkennt, dauert es eine Weile, denn es gibt viele Rückblenden, die nicht geradlinig erzählt werden, sondern auch zeitlich hin und her springen. Das macht das Ganze zwar enorm spannend – ich fand es allerdings manchmal etwas anstrengend.

Der Alltag der Familie und die Organisation des Miteinanders – wer fährt wen wohin, was wird gegessen, wer ist krank – wird recht ausführlich beschrieben; dazwischen und wie nebenbei werden dann Details der anderen Tätigkeiten des Ehepaars erwähnt und gerade diese Beiläufigkeit macht es noch gruseliger.
Der Kontrast zwischen dem Alltagsleben der Familie und dem, was Millicent und ihr Mann fast schon als Hobby zu betrachten scheinen, könnte größer nicht sein, was mich mehr als einmal schlucken ließ.

Ich hatte relativ schnell ein ziemlich klares Bild von Millicent, das sich am Ende dann auch bestätigt hat, auch wenn es noch die ein oder andere Überraschung und Wendung gab. Und es dann fast noch krasser war, als ich vermutet hatte.
„Tobias“ allerdings blieb mir die ganze Zeit – obwohl er der Erzähler ist – irgendwie fremd und ich konnte ihn nicht richtig fassen. Steht er nur im Schatten von Millicent, die zweifellos einen großen Einfluss auf ihn hat? Oder ist er selbst sogar derjenige, der die Fäden in der Hand hält?
Dies ist sicherlich so beabsichtigt und im Bezug auf den Rest der Geschichte auch durchaus passend und stimmig – mich hat es allerdings etwas gestört.
Auch blieben für mich die Beweggründe des Ehemanns zu sehr im Dunkeln bzw. waren mir letztendlich etwas zu dünn.

Trotzdem gibt es von mir eine klare Leseempfehlung. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe mich rundum gut unterhalten gefühlt.