Der Kampf gegen die Dunkelheit im Herzen der Menschen

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annajo Avatar

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Im Vergleich zum ersten Band hat Bottero ein wenig das Tempo aus der Handlung herausgenommen. Ist man im ersten Band noch atemlos vor Spannung von Kapitel zu Kapitel gesprungen, fällt es im zweiten Band leichter, das Buch zwischendurch auch einmal zur Seite zu legen. Dafür ist die Handlung jedoch tiefgründiger geworden und die Metaphern wurden gut ausgearbeitet. Jedoch bleiben die Charaktere oberflächlich, tiefsinnige Gedanken werden rasch und emotionslos abgehandelt. Zudem vermag die Liebesgeschichte zwischen Nathan und Shaé nicht zu fesseln, was daran liegen mag, dass sie das Buch über platonisch bleibt. Ein wenig nervzehrend ist das für den Leser schon, denn die Beziehung entwickelt sich nicht weiter, sondern tritt immer auf der Stelle und vor allem Nathan plagt sich immer wieder mit den gleichen Zweifeln. Ein wenig unrealistisch ist es dann schon, dass er nicht in diese Zweifel abrutscht und die Beziehung hinterfragt, sondern Shaé immer wieder ewige Liebe schwört.
In der Handlung geht es dieses Mal nicht um Kraft, sondern um die Dunkelheit im Herzen der Menschen, die der Andere säen kann. Auf La Réunion, wo Nathan und Shaé nach Nathans Onkel Barthélemy suchen, grassiert sogar eine Seuche, die die Menschen aggressiv macht und sie sich gegenseitig ermorden lässt. Die Metaphern für Gut und Böse, sowie den Kampf mit sich selbst, den die Protagonisten durchmachen, finde ich gut gelungen. Hier ist es endlich mal nicht Schwarz und Weiß, sondern der Andere versucht auch in ihren Herzen Misstrauen und Hass zu säen und die Argumente und Zweifel wirken überzeugend und lassen den Leser sich fragen, wie er selbst gehandelt hätte. Das Buch hat daher einen stärkeren philosophischen Aspekt als der erste Band.
Weniger gelungen dagegen finde ich die häufigen Gewalt- und Tötungsszenen, die völlig unreflektiert stattfinden. Nathan bedauert zwar, getötet zu haben, überzeugend wirkt das aber nicht, denn es stürzt ihn weder in eine tiefe Identitätskrise noch in tiefe Trauer. Auch als ein Familienmitglied durch einen der Protagonisten getötet wird, erfährt dies zwar immer wieder Erwähnung, die Reaktionen darauf bleiben jedoch eher platt. Es wirkt eher nach dem Motto "Hm, naja, schade drum, aber was soll's". Selbst die Trauer und die Selbstvorwürfe des Vaters des Opfers wirken eher wie eine nachgeschobene Moral, da es sich ja hier schließlich um ein Jugendbuch handelt. Nathans Gedanken zu diesem Thema klingen daher meist auch einfach nur "abgedroschen": "Nein, Töten ist nicht okay ... aber ...".
Alles in allem war dieses Buch jedoch auch wieder spannend und ich freue mich auf den dritten Teil der Reihe, denn mich interessiert, wozu Eqkter, die Seele des Anderen, in der Lage ist. Über den Ausgang des Kampfes hege ich eigentlich wenig Zweifel und doch verspricht auch das dritte Buch, spannend zu werden.