Ein sehr persönlicher Fall

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In dem neuen Buch von Jo Nesbo begegnet der Leser alten Bekannten. Im 12. Fall für Harry Hole ist vieles bekannt und auch dem unerfahrenen Leser werden schnell Zusammenhänge und Gegebenheiten nähergebracht.
Doch vieles ist in diesem Buch anders: von seiner Frau Rakel getrennt unterdrückt Hole seinen Schmerz im Alkohol, bis er eines morgens ohne Erinnerungen aufwacht. Voller Blut versucht er sich an die Geschehnisse der vergangenen Nacht zu erinnern, bevor er zu einem Fall gerufen wird, der ihn persönlich vor neue Herausforderungen stellt und an seine Grenzen bringen wird: seine Frau Rakel ist das Opfer und es gibt scheinbar keinen einzigen Verdächtigen. Alle Ermittlungsansätze laufen ins Leere.
Hole stürzt sich in die Ermittlungen, ungeachtet seiner Suspendierung und allen anderen Menschen um ihn herum.

Jo Nesbo hat seine eigene Art zu schreiben. An einigen Stellen ein bisschen langatmig und ausufernd geschrieben und doch ins kleinste Detail erklärt wird der Leser abgeholt, an die Hand genommen und wird zum Teil der Geschichte. Er ist darin zu Hause und weiß über alles Bescheid, was es zu wissen gibt. Die phasenweise langen Passagen mit Gedanken und langatmigen Ausführungen werden abgelöst von schnellen und spannenden Seiten, die den Leser, sollte er kurz unaufmerksam geworden sein, wieder einfangen und zum Ort des Geschehens zurückbringen.

Mit der Handlung und den Geschehnissen des Buches trifft Nesbo seinen fleißigsten Ermittler an einem Wunden Punkt. Nicht nur, dass ihm sein Lebensinhalt genommen wurde, auch, dass er nichts tun kann, zehrt an Holes Nerven. Um dennoch etwas zu tun zu haben, ermittelt er, wie sollte es anders sein, auf eigene Faust und arbeitet auf diese Weise einen Verdächtigen nach dem anderen ab. Diese Vorgehensweise findet sich sehr deutlich im Buch wieder: ein Verdächtiger, ein zweiter Verdächtiger, ein dritter Verdächtiger… Hat Hole sich lange genug an einem festgebissen, jedoch herausgefunden, dass demjenigen nichts anzuhängen ist, lässt er ihn fallen und geht zum nächsten. Zwar führt dieses Vorgehen dazu, dass der Leser dem Ablauf gut folgen kann, allerdings wirkte es an manchen Stellen zu schematisch, als würde alles nacheinander abgearbeitet werden.

Harry Hole ist und bleibt das Aushängeschild von Jo Nesbo. Der Leser kennt ihn, der Leser leidet mit ihm. In diesem sehr persönlichen Fall scheint nichts gewöhnlich. Dass der Fall tatsächlich direkt in Zusammenhang mit Hole steht, lässt den Autoren alles andere ausblenden und sich voll und ganz auf Hole fixieren. In diesem Fall ist es gut verpackt und wirkt nicht inszeniert, wie es beim persönlichen Einbezug von Charakteren in Mordfälle oftmals hat.

Und Jo Nesbo ist und bleibt ein Meister des Unerwarteten.