Ungewollte Familientherapie

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Was passiert, wenn der alkoholkranke Vater die eine Tochter verlässt, eine neue Familie gründet, und bei der anderen, neuen Tochter bleibt? Was passiert, wenn er dann stirbt und seine Millionen der ersten Tochter vererbt, aber unter einer Bedingung: sie muss eine Therapie machen um das Geld ausgezahlt zu bekommen- bei der zweiten Tochter. Beide kennen sich nicht. Beide mögen sich nicht und brauchen sich doch dringender, als sie ahnen können.

Das Buch beschreibt ein wahnsinnig komplexes Thema, nämlich das der psychischen Erkrankungen und der Frage die wohl jeden Betroffenen beschäftigt: werde ich jemals ganz gesund? Diesem Thema in einem Roman gerecht zu werden, in dem gleich beide Schwestern mit ihren eigenen Dämonen kämpfen, ist sehr ambitioniert, zumal die Traumata der beiden bereits in der Kindheit mit dem alkoholabhängigem Vater beginnen. Hinzu kommt das Thema des Verlustes und der Trauer. Der Roman spricht diese Themen aber mit sehr viel Authentizität an, der besonders die Dynamik der Rückschläge und doch immer wieder aufkeimenden Hoffnung sehr gut einfängt.

Obwohl ich am Anfang meine Probleme mit den Charakteren hatte, der Achterbahnfahrt und der Selbstzerstörung besonders von Mickey und dadurch nur wenig Zugang zu den beiden Schwestern fand, führte die Geschichte im Verlauf dazu, dass ich mich immer weiter in sie hinein fühlte, mich sorgte und so dringend wollte, dass für sie alles gut wird. Dafür sorgte auch der Witz und die Leichtigkeit, die trotz der schweren Themen immer wieder Einzug in die Sprache des Romans fanden. Einige Szenen wirkten zwar etwas konstruiert und übertrieben angespannt, in der Gesamtheit aber doch annähernd realistisch. Und trotz ihres kaputten Lebens haben die beiden Charaktereigenschaften, die immer wieder verdeutlichen, dass ein Mensch nie in seiner Gesamtheit schlecht ist, dass es immer wieder Nuancen und Angewohnheiten gibt, innere Überzeugungen, die ihn doch liebenswert machen. Und das ist für mich auch eine der schönsten Aussagen des Romans: kein Mensch ist nur schlecht.

Für mich ein schöner Roman, der vor allem den langen Weg der Heilung aufzeigt, der zeigt wieviel Kraft und Arbeit darin steckt und trotzdem die Hoffnung und den Optimismus dabei nicht erstickt.