Der Vergleich mit den „Flusskrebsen“ drängt sich auf…

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caillean79 Avatar

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Nach vielen Jahren kommt Elijah in seinen Heimatort zurück. Hier ließ er seinen alkoholsüchtigen Vater zurück, seine Kindheit und seine erste große Liebe, die indigene Nakita. Ein gefeierter Schriftsteller wollte er werden – doch er kommt zurück, nachdem sein Buch floppte und die Geldmittel nicht mehr reichen, um sein Leben in San Francisco zu finanzieren. Nach dem Tod des Vaters zieht er in dessen Hütte mitten in der Natur und baut sich ein bescheidenes, aber fast unabhängiges Leben auf. Doch dann wird auf seinem Grundstück die Ärztin des Ortes erhängt aufgefunden – und die Umstände ihres Todes gleichen haargenau dem Verbrechen, das Elijah in seinem Roman geschildert hatte. Für ihn beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn alle Indizien sprechen gegen ihn…

 

Sarah Crouch versucht in ihrem Roman dem Beispiel von „Der Gesang der Flusskrebse“ zu folgen. Das Buch lebt von ausladenden Naturbeschreibungen, der Protagonist versucht sich inmitten dieser Natur ein weitgehend autarkes Leben aufzubauen. Mit einem mysteriösen Todesfall kommt Spannung in den Roman und der Protagonist wird zum Verdächtigen. Die Zutaten sind also die gleichen, nur der Schauplatz – in diesem Fall die Westküste der USA nahe Seattle – ist ein anderer. Doch gelingt es Sarah Crouch genau so gut wie Delia Owens, diese Zutaten zu einem „perfekten Dinner“ zu verarbeiten? Aus meiner Sicht nicht ganz.

 

Eigentlich sollte man Bücher nicht vergleichend bewerten, aber da die Vergleichbarkeit hier scheinbar sehr bewusst gewählt wurde, muss das Buch dem auch standhalten... Während ich an Delia Owens Protagonistin Kya ganz nah dran war und mit ihr mitgefiebert und -gelitten habe, blieb ich zu Elijah aus irgendeinem Grund auf Distanz. Er hat mich einfach nicht so für sich einnehmen können. Die Nebenfigur der Nakita fand ich wiederum sehr gut getroffen – hier hätte ich mir gewünscht, noch mehr über das Leben indigener Personen in einem Reservat in den USA zu erfahren. Auch Elijahs väterlicher Freund Chitto war eine wunderbare Figur, die ich sehr gemocht habe. Umso mehr ärgert es mich, dass es mir nicht gelang, die gleiche Verbundenheit zu Elijah aufzubauen.

 

Spannendes Lesevergnügen stellte sich bei mir leider erst im letzten Drittel ein, als es um den Mordprozess gegen Elijah ging. Da nahm die Dramatik noch mal richtig Fahrt auf und hat für einen Abschluss des Buches gesorgt, der mich teilweise mit der etwas behäbigen Handlung zwischendurch versöhnt hat.

 

Als Leser sollte man noch wissen, dass der Roman viele Zeitsprünge beinhaltet, und zwar nicht nur in eine Richtung. Dieses Hin- und Herspringen innerhalb der Jahre 1988 bis 1994 könnte es Hörbuch-Hörern schwer machen, die Geschichte zu verfolgen. Ich würde daher zum Lesen, nicht zum Hören raten.

 

Insgesamt war es eine Geschichte, die von Inhalt und Aufbau sehr deutlich an „Der Gesang der Flusskrebse“ erinnert, ohne jedoch dessen grandioses Lesegefühl vermitteln zu können. Wer das Buch aber vorbehaltlos zur Hand nimmt und Nature Writing mit einem Hauch Spannung mag, wird an dem Buch sicher Freude haben.