Ausgesprochen gut

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route66 Avatar

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Eine unbenannte Stadt, ein unbenanntes Land, eine unbenannte Religion und ein „vielleicht-Freund-seit-fast-einem-Jahr": Die Dinge werden in „Milchmann“ nicht gerne beim Namen genannt. Klatsch und Tratsch sind an der Tagesordnung und unbeobachtet kann man sich sowieso nicht auf die Straße wagen. Ganz besonders schlimm ist das, wenn man doch eigentlich gar nichts mit diesem älteren Mann zu tun hat, der einem nachstellt, aber alle Welt einen jetzt für seine Geliebte hält. Dazu kommt, dass die Gemeinschaft in der die, natürlich namenlose, Protagonistin lebt, ziemlich rabiat mit jedem umgeht, der sich falsch verhält. Und „falsch“ ist hier sehr dehnbar.
Natürlich merkt man schnell beim Lesen um welches Land, welche Stadt und welche Zeit es sich handelt. Das ist auch gut so, wird man doch am Anfang sehr an dystopische Romane wie den Report der Magd erinnert. Durch den fast durchgängigen Verzicht irgendwas beim Namen zu nennen, bekommt der Roman einen besonderen Charme.
Auf der Handlungsebene passiert gar nicht so viel, aber das Zwischendrin, sozusagen das, was sonst nicht ausgesprochen wird, ist hier das wirklich interessante. Sehr witzig und sehr pointiert wird hier die Gesellschaft und die Politik genau unter die Lupe genommen.
Das Buch ist und bleibt spannend und unvorhersehbar bis zur letzten Seite. Viele Wendungen haben mich wirklich überrascht. Ein sehr gutes, politisches, aber auch gesellschaftskritisches Buch. Durch den interessanten Sprachstil und die besonderen sprachlichen Wendungen ein ganz besonderer Roman.