Den richtigen Weg finden

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dicketilla Avatar

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Es sind meist die hochgelobten Bücher, die mich anfangs etwas skeptisch werden lassen, dann aber die Neugier der eigenen Leseerfahrung überwiegt. Bereits die Leseprobe ließ erkennen, dass es ein etwas anders Buch ist. Anna Burns bedient sich einer außergewöhnlichen Stilart. Endlos erscheinende, verschachtelte Sätze fordern den Leser heraus. Ständig verändert sich der Blickwinkel, wird abgeschweift, neue Bilder machen sich breit. Auch gibt es keine greifbaren Personen, sondern werden durch Bezeichnungen wie „Vielleicht Freund“, „Schwager 1“, „Schwester 3“, um nur einige zu nennen, gezeichnet. Erzählt wird die Geschichte von der Ich-Erzählerin, die sich selbst als Mittelschwester bezeichnet. Eine kinderreiche irische Familie, wo bereits der Vater und einige Söhne verstorben sind.

Der Leser wird von der Ich-Erzählerin in eine Welt gebracht, in der es schon ausreicht durch „Im-Gehen-Lesen“ Aufmerksamkeit zu erregen. Der Milchmann ihr begegnet, woraufhin sofort das Gerücht umgeht, dass sie mit dem 23 Jahre älteren Mann eine Affäre hat. Aufmerksamkeit erzeugt Aufregung, wie eine falsche Religion am falschen Ort, es Verweigerer und Befürworter gibt. In einem Land auf der anderen Seite vom See, oder der Grenze. Gedanken zu lesen wichtig ist, damit es nicht kompliziert wird.
Die Ich-Erzählerin sich zu den Gerüchten nicht äußert, dadurch mehr ungewollte Aufmerksamkeit erfährt. Wem kann man trauen, in einer Welt wo sogar Namen verboten sind, die eine Zugehörigkeit verdeutlichen, die Gewalt heraufbeschwört.
Die Handlung könnte überall auf der Welt spielen, in der Religion schon zu Ausgrenzung, Hass führt. Ein junger Mensch versucht seinen Platz zu finden, in einer Welt, die über Jahrzehnte von den Erwachsenen vergiftet wurde.Seinen eigenen Weg suchen und finden, darum geht es.

So hat das Buch „Milchmann“ von Anna Burns sicher seine Berechtigung mit zahlreichen Preisen bedacht worden zu sein.
Für mich war es aber eine sehr herausfordernde Leseerfahrung, die mich oft abbrechen ließ. Die Handlung in mehren Kapitel verteilt, hätte dem Leser mehr Ruhe, Zeit gegeben, diese unruhige Sprache zu begreifen. Aber vielleicht auch gewollt, weil die Dinge während der Unruhen in Irland oft aus dem Ruder liefen, wie diese Geschichte teilweise von mir empfunden wurde.
Man sollte dem Buch eine Chance geben, jeder auf seine eigene Art.