Thematisch interessant, stilistisch herausfordernd

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fürimmerlesen Avatar

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Eine junge 18jährige Frau wird aus dem Nichts von einem wesentlich älteren, verheirateten Mann angesprochen, er sucht ihre Nähe und scheint bereits einiges über sie zu wissen. Es ist der "Milchmann", wie er von allen im Ort genannt wird. Verortet wird die Handlung in eine Stadt in Nordirland, die sich in einer Art Bürgerkrieg zu befinden scheint.
Anne Burnes spart jedoch mit all diesen Details, sodass man sich oft nur ein ungefähres Bild vom Setting machen kann.
Fakt ist, dass die Gesellschaft, in der die Protagonistin lebt, verroht und oftmals aggressiv und misstrauisch ist und sich in kriegerische Handlungen verstrickt.
Die Bekanntschaft zwischen dem jungen Mädchen und dem Milchmann sorgen sogleich für Gerede, obwohl sich die Protagonistin von Anfang an sehr unauffällig verhält und alles tut, um dem Verehrer aus dem Weg zu gehen. Dabei wird Anhand dieses Beispiels das klassische Denken über Männer und Frauen, dem gesittet Verhalten und die Erwartungen aneinander in einen übergeordneten Kontext gesetzt.
Der Roman ist dabei stilistisch sehr auffällig, nicht nur weil sich Burnes auf ein Minimum an Benennungen beschränkt, sondern weil sie das Seelenleben der Hauptfigur in lange Schachtelsätze verpackt, die zuweilen einen langen Atem vom Leser erfordern. Schnell fragt man sich wohin das Buch führen soll und vergeblich wartet man auf z.B. spannende Wendungen.
Für alle Leser, die eher an psychologischen Abhandlungen interessiert sind wird dieser Roman ein Segen sein, denn wir beobachten eine Frau, die in einer schwierigen Lebenssituation ist. Das Buch behandelt dabei brandaktuelle Themen, die beispielsweise an die #metoo Debatte und kriegerischen Terror angelehnt sind.
Dennoch ist es nicht leicht der Handlung zu folgen und es ist kein Roman, den man nebenbei wegliest. Er erfordert Aufmerksamkeit und Motivation.