Sehr empfehlenswert

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recensio Avatar

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"Mein Mann bat mich zu lügen."

So beginnt der Roman "Miracle Creek" von Angie Kim.
Und die Autorin hatte mich mit diesem ersten Satz!

Nicht nur dieser weckte sofort meine Neugierde und setzte den Spannungsbogen hoch an, auch Kims Stil tat das. Wortgewandt, ausgetüftelt, zuende gedacht und stilvoll wirkten ihre Worte. An den richtigen Stellen nüchtern, aber immer treffsicher auf der emotionalen Ebene. #Chapaeu 🖤

Durch das Geschehen begleitet dich ein auktorialer Erzähler, der die verschiedenen Perspektiven näher betrachtet. Du lernst jeden kennen, magst oder hasst ihn. Aber eins kann ich dir versichern: Du wirst deine Meinung sehr oft ändern.

In dem Buch geht es grundlegend um die Familie von Pak. Er und seine Frau Young sind von Korea nach Amerika ausgewandert, um ihrer Tochter Mary ein besseres Leben zu ermöglichen. Ihre Existenz ist das Miracle Submarine. Sie bieten in einer Druckluftkammer Sauerstofftherapien an - im Buch ist das ganz toll erklärt. In verschiedenen Gruppen finden die Patienten sich dort ein. Bis es zu einer Explosion eines Tanks kommt und ein unkontrollierbares Feuer ausbricht. Dabei sterben zwei Menschen: der achtjährige Henry und die fünffachmutter Kit. Aber wie kam es dazu?!

Und genau hier startet das Rätsel um den oder die TäterIn.
Denn dafür kommen einige in Frage. ☝🏻 Wollte Elizabeth ihren autistischen Sohn loswerden und steht deswegen jetzt vor Gericht? Waren es die Demonstrantinnen, die regelmäßig gegen diese Therapie vorgehen wollten? War es Pak selbst? Oder jemand anderes aus seiner Familie? Und was hat eigentlich der kinderlose Arzt Matt zu verbergen?

Nichts ist wie es scheint! Das Spiel zwischen Illusion und Tatsachen beherrscht die Autorin aus dem Effeff.

Auch die Charakterzeichnungen sind überaus gelungen. Jeder bekommt genügend Raum, eine Geschichte und ein Gesicht. Als Leser ist man in der Lage, sich in jeden hineinzuversetzen. Und wie von selbst kommt es durch die Fülle an Personen, die mich übrigens nie überfordert hat, zu einem ganzen Themenpool.
Es geht um das Leben selbst, Intrigen, heimliche Gedanken und Wünsche, den Umgang mit Behinderungen, Immigration und und und. Dadurch ist die Story wunderbar komplex, echt und intensiv.

Es gab tolle Verdachtsmomente, die wunderbar ausgekostet wurden. Und einige Twists sorgen fortlaufend für das Dramagefühl und den subtilen Thrill.

"Miracle Creek" ist aufgrund der vielen Tiefsinnigkeiten nicht unbedingt eine Lektüre zum Abschalten und schnell weglesen. Diese Tragödie ist eher eine Mischung aus Justizroman, Drama und leiser Spannung. Du wirst unblutig, aber offen und direkt unterhalten. Dabei ist es umso nachhallender und eingehender.

Für mich ein sehr #empfehlenswerter Roman über moralische Fragen und einigen ernsten Dingen des Lebens, den die talentierte Autorin exzellent mit ihrem Schreibstil und einem dadurch angenehmen Lesefluss unterstreicht. Für subtile Spannungsromanliebhaber, die gern mitdenken, genau der richtige Lesestoff.