Sehr gelungenes Debüt

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waterlilly Avatar

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Durch die Überbelichtung bekommen der Sternenhimmel und die Bäume auf dem Cover von Angie Kims Debütroman „Miracle Creek“ etwas magisches. Auf den ersten Blick könnte man denken, dass sich hinter diesem romantischen Motiv ein Liebesroman verbirgt.
Tatsächlich handelt es sich aber um ein sehr vielschichtiges Drama, so spannend wie ein Krimi.

Im Zentrum steht die Familie Yoo. Angie Kim schildert sehr eindrucksvoll die Schattenseiten eines Neustarts in einem fremden Land. Die Familie entscheidet sich, ihre Zelte in Korea abzubrechen und für ihre Tochter ein besseres Leben in den USA zu beginnen. Der „american dream“ ist jedoch nichts, dass einem einfach so zufliegt. In Amerika leben die Yoos in fast noch größerer Armut als in Korea. Sehr betroffen machte mich die Schilderung, dass für sie der Verlust der Muttersprache quasi mit einem IQ Verlust gleichzusetzen ist. Sowohl Young als auch Pak, sind gebildete Menschen doch durch die Sprachbarriere kann insbesondere Pak sich nur noch auf einem einfachen Level ausdrücken.
Auch die Arbeitsbedingungen, mit denen Young im Supermarkt konfrontiert wurde, machten mich fassungslos. Von 6 Uhr bis Mitternacht und das jeden Tag...

Diese Familie eröffnet nun also ein U-Boot, in dem eine hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) angeboten werden. Von dieser Methode hatte ich zuvor noch nie etwas gehört und fand es deswegen sehr interessant. Durch das Einatmen von reinem Sauerstoff sollen Heilerfolge erzielt werden. Die Patienten in der Geschichte leiden an Autismus, Unfruchtbarkeit und Hirnschädigung.
An einem Tag kommt es zu einem folgenschweren Unglück. Durch eine brennende Zigarette entsteht ein Feuer und zwei der Patienten verbrennen. Auf den Tod der Mutter Kitt wird nicht näher eingegangen, die Handlung konzentriert sich auf den Jungen Henry. Es sind Bilder, die den Leser noch lange verfolgen werden, die Angie Kim heraufbeschwört.

Die Geschichte spielt überwiegend im Gerichtssaal. Man ist selbst Zuschauer während die einzelnen Zeugen vernommen werden. Gleich zu Beginn wird die vermeintliche Täterin präsentiert. Elisabeth,die Mutter von Henry. Im Verlauf der Handlung öffnen sich Abgründe. Obwohl Elisabeths Verhalten in vielerlei Hinsicht ungesund und teilweise sogar schändlich ist, machen sich auch schnell Zweifel breit. Ist sie wirklich die Täterin?
Jeder der Zeugen scheint etwas zu verbergen und die Wahrheit zu den eigenen Gunsten zu verdrehen.

Es ist eine spannende Herangehensweise an die Geschichte. Jeder der Charaktere hat den Tag des Unglücks auf eine andere Art erlebt. Jeder kennt nur Bruchstücke, hat Vermutungen und Zweifel und so fügt sich nach und nach, wie in einem Puzzle, ein Bild zusammen. Zur Verdeutlichung der Thematik hat Angie Kim immer wieder kleine Skizzen und Tabellen eingefügt.

„Miracle Creek“ handelt von Mord. Allerdings nicht von einem niederträchtiges Verbrechen sondern von einer Verkettung vieler kleiner Fehlentscheidungen, die gemeinsam zu einer großen Tragödie führen.

Dieser Roman hat mich sehr gefesselt und auch sehr berührt. Es werden so viele Einzelschicksale beschrieben. Menschen, denen das Leben große Bürden auferlegt hat. Angie Kim gelingt es, ihre Charaktere so zu zeichnen, dass man trotz aller Fehler für jeden auch Sympathie empfindet.
„Miracle Creek“ bekommt von mir eine volle Leseempfehlung.