Ich habe mich entführen lassen

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Am Anfang hat die Geschichte mich sehr an „Harold Fry“ erinnert, und ich war etwas enttäuscht – aber dann entwickelt sich die Geschichte doch ganz anders, und irgendwann hat es mich richtig gepackt und vor allem berührt.

Margery Benson ist 47 Jahre alt und arbeitet in Londons Nachkriegszeit als Hauswirtschaftslehrerin. Als ihr der Spott der Schüler nochmal mehr vor Augen geführt wird, geht sie einem alten Kindheitstraum nach: Sie möchte den goldenen Käfer von Neukaledonien finden. Dafür braucht sie natürlich einen Assistenten – und der ist auf Umwegen dann auch gefunden: Enid Pretty ist ihre Begleiterin, und zusammen sind sie ein ulkiges Paar – beide vor allem eins: Auf der Suche nach sich selbst und dem Traum ihres Lebens.

Vieles ist wirklich überspitzt und man sollte nicht den Maßstab setzen, ob das alles so wirklich hätte geschehen können – wohl eher nicht. Trotzdem zeichnet die Autorin ein interessantes Bild der Nachkriegszeit – Männer und Frauen sind auch noch im Jahr 1950 gezeichnet durch den Zweiten Weltkrieg, Lebensmittel immer noch rationiert und die Städte noch längst nicht wieder aufgebaut. Was die Kriege mit den Menschen und ihren Seelen gemacht hat – das steht noch mal auf einem ganz anderen Blatt – und auch hier hat die Autorin sich eine Figur einfallen lassen, die ein solches Schicksal näher bringt. Natürlich aber stehen Margery und Enid im Mittelpunkt, ihre Reise ans andere Ende der Welt. Aber es gibt neben diesem wirklich großartigen Abenteuer auch Krimi-Elemente, die ich nicht gebraucht hätte, die aber gerade im letzten Drittel noch mal Spannung in die Geschichte zaubern.

Mir hat aber vor allem gefallen, die beiden so ungleichen Frauen kennen- und auch lieben zu lernen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Margery ist eher der Typ „alte Jungfer“, pragmatisch veranlagt, überlegt und durchdacht, immer auf Sicherheit gemünzt und vor allem praktisch denkend. Enid dagegen ist sehr bunt – nicht nur im äußeren Sinne; sie macht sich nicht viele Gedanken und stapft einfach los, lässt dabei auch Fettnäpfe nicht aus, plappert munter vor sich hin und wirkt dadurch oberflächlich, zumindest auf den ersten Blick. Gemein haben die Frauen nur eins – ein großes Herz. Und es hat mich sehr berührt, wie sie sich auf der Reise durchbeißen und irgendwie zusammenwachsen, ohne dass eine der beiden sich selber aber untreu wird.

Der Schreibstil ist lebendig und locker und lässt sich sehr leicht lesen. Immer blitzt auch eine Prise Humor durch, auch wenn es oft eine Art Situationskomik ist, die mich zum Schmunzeln gebracht hat. Es ist aber beileibe kein humoristisches Buch, denn es gibt viele wirklich tiefgründige Ideen und warmherzige Szenen, die berühren und sehr besonders sind. War ich am Anfang noch skeptisch, ob mich die Geschichte packen wird, hat sich das dann zum Glück doch geändert, und ich war gefesselt und gebannt von dieser charmanten und warmherzigen Geschichte, diesem Lebensabenteuer zweier ganz unterschiedlicher Frauen. Ich gebe gute 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Der Einstieg in das Abenteuer zweier ganz unterschiedlicher Frauen, die vordergründig auf der Suche nach einem Käfer sind, aber eigentlich ihre Lebensträume verfolgen, ist mir schwer gefallen. Dann aber konnte ich mich dem Charme und der Wärme der Geschichte nicht mehr entziehen. Die Charaktere sind so besonders, dass ich sie einfach ins Herz schließen musste und dann auch gerne begleitet habe – ich gebe diesem leicht zu lesenden und sehr warmherzigen Roman gute 4 von 5 Sternen.