Liest sich von selbst

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sursulapitschi Avatar

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Mein erstes Buch von Rachel Joyce hat mir gezeigt, dass nicht jeder Hype unberechtigt ist und dass man durchaus mit Stereotypen arbeiten kann, wenn man es kann. Rachel Joyce ist eine Meisterin.

Hier lernt man Margery Benson kennen, 47 Jahre alt, Lehrerin, groß, korpulent, unbeholfen, mit lilanem Kleid und vernünftigem Schuhwerk, eine alte Jungfer aus dem Bilderbuch, die aufgerüttelt wird und plötzlich mehr vom Leben will. Sie trifft auf Enid Pretty, die blondgefärbte Quasselstrippe mit Rechtschreibproblem und Pompon-Sandalen, das perfekte Gegenklischee.

Und während man dazu ansetzt, mit den Augen zu rollen darf man dann lesen: „…ihre lackierten Nägel sahen aus wie Bonbons mit flüssigem Kern.“ oder „Sie trug ein Kleid mit vielen weißen Rüschen. Margery hatte den Eindruck, sich mit einer Hochzeitstorte zu unterhalten.“
Das ist reizend und entzückend und so wunderbar selbstironisch, dass man diesem Buch einfach alles verzeiht, was man sonst als Plattitüde gebrandmarkt hätte.

Man begleitet Margery und Enid auf ihrer abenteuerliche Reise nach Neukaledonien, wo es so hübsch chaotisch ist, dass man sofort hinfahren möchte.
Dieses Buch liest sich von selbst. Ja, es ist vieles sehr überzogen, schwarz- weiß gemalt, absolut unrealistisch und trotzdem so wundervoll erzählt, dass ich mich weigere, dieses Buch mit Logik und Vernunft zu beurteilen.
Es ist eigentlich ein abenteuerliches Märchen, das warmherzig von ein paar Einzelgängern erzählt, die mit Mut und Witz zu sich selbst finden, eine Ode an den Mut, Neues zu wagen und sein Glück zu suchen, auch wenn es unerreichbar zu sein scheint.

Ich habe überlegt, ob ich einen Stern abziehe für ein bisschen zu viel dies und das, hier und da, aber ich tue es nicht! Nein. Fakt ist, mir hat schon lange kein Buch mehr so viel Spaß bereitet.