Miss Bensons Reise zu sich selbst

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katicey Avatar

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1950: Margery Benson, eine Lehrerin mittleren Alters, führt ein unauffälliges, angepasstes Leben. Und eben dieses schmeißt sie hin, nachdem ihr von ihren Schülern schmerzhaft vor Augen geführt wird, dass sie sich und ihre Träume vor langer Zeit aufgegeben hat. Sie beschließt, sich auf die Suche nach dem goldenen Käfer zu begeben und damit ihren Kindheitstraum zu verwirklichen. Nach einer Verkettung unglücklicher Umstände tritt sie ihre Reise nach Neukaledonien mit Enid als ihre Assistentin an – einer Frau die nicht gegensätzlicher zu Margery sein könnte und eigene, konträre Probleme und Träume mitbringt.

Auch wenn der englische Titel des Buches „Miss Bensons Beetle“ es suggeriert: es geht eigentlich nicht so sehr um den goldenen Käfer, sondern vielmehr um Toleranz und Freundschaft, Vertrauen, Mut und Selbstverwirklichung. Der deutsche Titel beschreibt den Inhalt des Buches deutlich besser: Reisen - nicht nur in ferne Ländern, sondern vor allem zu sich selbst, zu dem Menschen der man war, der man ist und der man gerne sein möchte.

Diese Reise führt bei Margery zu einigen schmerzlichen Erkenntnissen und es ist ausgerechnet die anfangs von ihr so ungeliebte Enid, die ihr sowohl die Augen öffnet als auch ihr bei ihrer Wandlung beisteht hin zu der Marge, die mit sich selbst und der Welt im Reinen ist.

Rachel Royce beschreibt einfühlsam den schwierigen Weg der unterschiedlichen Charaktere von einer notgedrungenen Zweckgemeinschaft hin zu einer wunderbaren, bedingungslosen Freundschaft. Einer Freundschaft, die unter normalen Umständen niemals entstanden wäre. Ihr gelingt das vor allem durch eine anfänglich überzeichnete Beschreibung und Typisierung der Charaktere. Kaum hat man sich jedoch in diese Stereotypen eingelesen und meint, darauf basierend ihre nächsten Handlungen und Reaktionen voraussehen zu können, beginnt die Autorin, sie nach und nach aufzuweichen und zeichnet ein Bild zweier vielschichtiger Frauen mit mehr Tiefgang, als man ihnen anfangs zugetraut hätte.

Das Buch lässt sich gut und flüssig lesen und wechselt mit Bravour zwischen Leichtigkeit und Tiefgründigkeit. Manchmal scheint die Geschichte ihre Längen zu haben. Doch liest man sie unter dem Aspekt, dass es weniger um die Suche nach dem Käfer als um die Suche nach sich selbst geht, relativiert sich dieser Eindruck wieder ein wenig. Konzentriert man seine Wahrnehmung noch dazu statt auf die Handlung mehr auf die Entwicklung der Charaktere und ihre Beziehung zueinander, sind die Längen kaum noch spürbar (ja, ich habe das Buch gleich zweimal gelesen). Und wer bis zum Ende durchhält, wird noch mit einem Sprint in Sachen Handlung belohnt – meiner Meinung nach fast schon ein bisschen zu viel des Guten.

Das Ende ist Geschmackssache, ich fand es gar nicht so schlecht. Mehr kann und will ich an dieser Stelle nicht dazu sagen (Spoileralarm).

Für mich war es das erste Buch von Rachel Joyce und es wird wohl nicht das letzte gewesen sein. Trotz kleiner Schwächen ist es ein Buch, dass Ja sagt zum Leben und auffordert, sein Leben zu hinterfragen, seine Ziele und Träume zu verfolgen und mit mehr Toleranz und offenen Augen und Herzen durchs Leben zu gehen.