Nüchtern erzählte, berührende Stories vor besonderem Hintergrund

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alekto Avatar

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Das Cover ist passend gestaltet, da es eine koreanische Frau ohne Gesicht abbildet und dieser Kurzgeschichtenband aus Sicht von acht verschiedenen koreanischen Frauen erzählt ist. Ich mag die intensiv ungewöhnliche Farbkombination bestehend aus einer Verzierung mit rosa Kirschblütenzweigen vor türkisen Hintergrund, weil diese weder kitschig noch übertrieben feminin wirkt.
Schon mit ihrer ersten Geschichte hat Cho Nam-Joo mich gefangen genommen. Zunächst schreibt sie so sachlich, wenn sie etwa den Inhalt der Medizinbox aus dem Küchenschrank auflistet. Doch dann wird klar, für wen die Medikamente bestimmt sind. Dongjus große Schwester Kumju leidet an Demenz und lebt in einem Pflegeheim. Wie Dongju sich um Kumju bei ihren seltenen Besuchen im Pflegeheim kümmert, ist mir nah gegangen. Denn eindringlich wird der fortschreitende Verfall von Kumju beschrieben, indem dieser erst so nüchtern aufgezählt wird wie die verschiedenen Medikamente in der Box, die von Kumju benötigt werden. Und vor dem Pflegeheim wächst ein großer Pflaumenbaum, dessen Blühen wie Verblühen die Zeit einteilt, in der Dongju ihre Schwester dort besucht. Auch das ist ein so starkes wie berührendes Bild für mich gewesen.
Dass die Geschichten in Südkorea spielen, lässt diese in den nebenher einfließenden Informationen ungewöhnlich wirken. Interessant fand ich so etwa, dass in der ersten Geschichte ein Lokal für Rinderknochensuppe eröffnet wurde, um genug Geld zu verdienen, damit die in Südkorea horrenden Studiengebühren zurückbezahlt werden können. Auch die Diskussion um die Namen war spannend. Dongju (Bronze) ist die jüngste Schwester und wurde von ihrer Mutter Mallyeo genannt, was die allerletzte Tochter bedeutet. Ihre beiden älteren Schwestern hingegen heißen Kumju und Unju (d.h. Gold und Silber).
Im weiteren Verlauf interessieren mich die aktuell relevanten Themen, die Cho Nam-Joo in ihren Geschichten aufgreifen wird und die von Cybermobbing auf Social-Media-Plattformen bis hin zur Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz reichen, die in Südkorea wohl ein weit massiveres Problem als hierzulande ist. Besonders gespannt bin ich außerdem auf die Geschichte, die sich mit Gaslighting auseinandersetzt, da dies ein wichtiges und leider oft viel zu wenig beachtetes Thema ist.