Gesichtslose Frau mit vielen Gesichtern

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Diese Sammlung von Kurzgeschichten von Cho Nam-Joo stellt in ihrem sehr angenehmen, klaren Erzählstil dar, in welchen Lebenssituationen sich Frauen verschiedener Altersgruppen im heutigen Korea (und eventuell auch allen anderen Ländern der industrialisierten Welt) befinden, welche Probleme ihnen begegnen und wie sie ihr Leben wahrnehmen. Diesen Vergleich sowohl zwischen den Generationen als auch möglicherweise zwischen den Kulturen finde ich sehr spannend. Die einzelnen Geschichten stehen jede für sich, so wie keine Frau genau die gleichen Erfahrungen macht wie eine andere, verweben sich aber miteinander und ergeben gemeinsam ein Mosaikbild, das der gesichtslosen Frau auf dem Cover verschiedene Züge verleiht.

Allgemein lese ich lieber längere Geschichten, die mehr Raum für Charakter- und Weltaufbau sowie Handlungsentwicklung bieten, insofern haben es Kurzgeschichten bei mir als Leserin etwas schwerer. Vielleicht hat mir deshalb auch „Die Nacht der Polarlichter“, die längste Geschichte der Sammlung, inhaltlich und mit ihren Figurenbeschreibungen am besten gefallen. Die restlichen Geschichten fand ich zwar konzeptionell, als Ausformungen jeweils eines bestimmten gesellschaftlich aktuellen Themas, interessant, leider haben mich aber nicht alle gleichermaßen berührt oder bewegt. Vielleicht liegt dies aber auch in der anderen kulturellen Mentalität begründet, in die ich mich nicht hineinversetzen kann, wodurch gewisse Nuancen nicht anklingen konnten.

Auch wenn vielleicht nicht jede einzelne Geschichte jede*n Lesende*n anspricht, ergibt sich aus ihnen ein facettenreiches Gesamtbild der Frau in der koreanischen Kultur.