Puzzle-Stück, Erweiterung, Anbahnung

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tausendmund Avatar

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Nach Cho Nam-Joos großartigem und zutiefst feministischem Text „Kim Jiyoung, geboren 1982“ war mir klar, dass ich auch dich unbedingt lesen möchte. Die Nähe zu „Kim Jiyoung“ wird nicht nur durch die titelgebende Miss Kim hergestellt, auch das Cover deutet erneut das Gesicht einer Frau an, das gleichzeitig das Gesicht aller Frauen sein könnte. Und wie in „Kim Jiyoung“ hält dich Nam-Joo wieder in dieser so zugänglichen, schnörkellos-reduzierten Schreibe, die universelle Anknüpfungspunkte ermöglicht. Doch möchte ich dich nicht einfach nur Nachfolger nennen, sondern auch Puzzle-Stück, Erweiterung, Anbahnung.

Du bietest acht Kurzgeschichten, die südkoreanische Frauen unterschiedlichen Alters ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken: Da ist die betagte Frau, die ihre demente Schwester im Pflegeheim besucht. Die erwachsene Tochter, deren Vater von zu Hause wegläuft. Die Partnerin, die den Heiratsantrag ihres Jetzt-Ex in Form eines flammenden Briefes ablehnt. Die Witwe, die unbedingt die Polarlichter sehen möchte.
Du schilderst banale Situationen, kleine, dem Alltag entlehnte scheinbar triviale Momente, nur eben – und das ist dein Zauber – mit Wumms! Alle Frauen sind auf die ein oder andere Weise mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen konfrontiert, seien es die am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit oder die in der Familie. War Kim Jiyoung noch dazu verdammt, ein Leben gleich dem Eintrag in einer Akte zu führen, sind diese Frauen schon einen Schritt weiter: Sie alle geben sich mal mehr, mal weniger offensichtlich kämpferisch, sie alle beginnen etwas, entwickeln eine selbstbestimmte Dynamik, um mit sich mit ihren Träumen auseinanderzusetzen und den Herausforderungen zu trotzen.

Jede deiner Kurzgeschichten folgt einer eigenen Form, einem eigenen Ton. Und dennoch überlagerten sie sich für mich beim Lesen, wurden zu einer Geschichte, oder vielleicht eher zu einer Empfindung: Miss Kim weiß Bescheid – und zwar mit einem dicken Ausrufezeichen!