Ernstgemeint ist dieser Roman aber nicht, oder?

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laberlili Avatar

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Ich bin zwiegespalten: Ich fand „Missing Boy“ auf eine gewisse Art und Weise durchaus unterhaltsam, aber als Thriller habe ich den Roman nicht ernstnehmen können. Irgendwie war dieser Roman für mich so sehr Satire, dass es teils schon ins Geschmacklose abdriftete, grad wenn plötzlich Pädophilie thematisiert und fragwürdige Sachverhalte zum Teil nicht weiter aufgeklärt wurden (in den Fernseher gestopfte Klamotten?! Und wem gehörten die denn nu?).
War Ted Conkaffey eigentlich schon immer so sehr in seinem Selbstmitleid gefangen? Ständig erwähnte er aufs Neue, wie er unter falschem Verdacht stand/steht: ja, ich habe es auch nach dem ersten Mal schon verstanden und würde mich ansonsten eher dafür interessiert haben, was nun mit dem verschwundenen Jungen geschehen ist, anstatt wieder und wieder zu hören, wie es dir so geht, seit damals das Mädchen verschwunden war, wofür man dich beschuldigt hat!
Ich war selten so froh über das Auftauchen von Amanda in der Geschichte; leider ließ sie recht lange auf sich warten – oder die Geschichte hatte sich bis dahin bloß so sehr in die Länge gezogen. Amanda fegte hier wie ein frischer Wind, ja, fast schon wie ein Orkan durch, typisch unangemessen, typisch unkorrekt, untypisch distanzlos für eine Figur, die es hasst, wenn sie berührt wird, aber eben typisch Amanda. Mit der Zeit auch typisch nervend. Amanda war wie ein Unfall, einer, für den ein Beteiligter mit dem Darwin-Award ausgezeichnet wird: Man kann nicht fassen, was sich da vor den eigenen Augen abspielt. Wie gesagt: irgendwie unterhaltsam, eben wie die Liste mit den Darwin-Award-Preisträgern, egal, wie tragisch diese letzthin auch sein mag.
Auch die Ermittlungsarbeiten von Seiten Ted und Amanda sind wenig professionell; an diversen Stellen habe ich gehofft, dass der aktuell Verdächtige wirklich unschuldig sei, weil ich mir relativ sicher war, dass die „Beweise“, so wie sie gesammelt worden waren, vor Gericht nicht zugelassen werden könnten und dass Ted und Amanda hauptsächlich jedweder möglichen Verteidigung nur so in die Hände spielten.

Über weite Strecken der Handlung hinweg hätte ich auch ohne mit der Wimper zu zucken darauf gewettet, dass die Polizei den Fall vor Ted und Amanda lösen würde. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das, was Ted und Amanda da anstellten, überhaupt als „Ermittlung“ und nicht eher als Ratespiel bezeichnen würde; in erster Linie wurde da doch auf gut Glück geraten und das Vermutete mal eben so als Tatsache hingestellt. Ich habe nie so sehr daran gezweifelt, dass Ted einst tatsächlich mal ein richtig, richtig guter Polizist gewesen sein soll; so wie er sich in „Missing Boy“ aufführte, würde es mich nicht verwundert haben, wenn er ohnehin irgendwann aus dem Polizeidienst entlassen worden wäre, weil es irgendwann mal genug Disziplinarverfahren gewesen wären. Ich glaube seit „Missing Boy“ echt nicht mehr daran, dass Ted Conkaffey sein Leben als Polizist im Ruhestand beendet haben würde, wäre er nicht in den Fokus dieses einen Falls damals geraten. Aber seit ich „Missing Boy“ gelesen habe, bin ich froh, dass dies der dritte Teil der Trilogie sein soll und die Serie wohl nicht noch weiter slapstickartig vermurkst werden wird.