Spannender Tatsachenroman

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„Mein Herz polterte jetzt laut. Ja, in diesem Moment war mir die Tiefe meiner Liebe zu Jo bewusst. Nichts und niemand würde uns jemals auseinanderbringen, keine Staatsmacht, keine dunkle Gefahr, keine Mauer, kein noch so tiefes Meer. Wenn wir gehen würden, würden wir es gemeinsam tun.“ (S. 246)

Ich habe ja schon viele Tatsachenromane von Hera Lind gelesen, die mich alle immer sehr berührt haben. Aber dieser gehört zu denen, die mir sicherlich immer im Gedächtnis bleiben werden. Vor allem berühren mich immer Geschichten besonders, die zum einen zur Zeit des 2. Weltkriegs spielen und zum anderen von der Flucht aus der ehemaligen DDR handeln. Hier ist sogar beides enthalten.

Der kleine Dieto erlebt als kleines Kind die Flucht aus dem völlig zerbombten Dresden zusammen mit seinem älteren Bruder Manfred und seiner Mutter. Der Vater ist während der Kriegswirren verschollen. Es ist unfassbar, was sie auf der Flucht erleben und erleiden und mitansehen müssen. Doch die liebevolle Mutter macht alles nur Erdenkliche möglich, dass sie alle drei irgendwie überleben und aus der Hölle herauskommen. Die Beschreibungen von all den Gräueltaten waren teilweise nur schwer auszuhalten. Es ist immer eine Sache, wenn man einen fiktiven Roman liest. Aber wenn man weiß, dass all diese Dinge wirklich so passiert sind, ist es einfach nur unfassbar. Und dann geschieht das Wunder … Der Vater kehrt zurück. Und obwohl sie arm waren, erlebte Dieto trotzdem eine glückliche Kindheit in der Nachkriegszeit.

Schon als kleiner Junge ist Dieto fasziniert von Artistik und übt selber zu jonglieren und andere Kunststücke. Als Teenager lernt er dann die Artistin Johanna kennen, und es ist um ihn geschehen. Nie wieder wird er eine andere Frau lieben! „Dieses Mädchen würde ich heiraten. Da war ich sicher.“ (S. 168) Und tatsächlich beruht diese Liebe auf Gegenseitigkeit und er kommt mit Johanna zusammen. Durch seine Artistentätigkeit kommt er in der ganzen Welt herum und hätte die Möglichkeit gehabt, im Westen zu bleiben. Doch dann würde er seine große Liebe niemals wiedersehen. Daher kehrt er immer wieder zurück, ist aber trotzdem mit dem Regime nicht einverstanden und schmiedet zusammen mit Johanna einen unglaublichen Fluchtplan …

Es ist schwer beziehungsweise unmöglich, dieses Buch, das so vielschichtig ist und wo so viel passiert, in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Wo es dann zum ersten Mal um die Fluchtgedanken und später um die Flucht selber geht, ist es so unglaublich spannend, dass ich das Buch nur noch schwerlich aus der Hand legen konnte. Ich habe förmlich mitgefiebert, dass sie es hoffentlich schaffen. Den eisernen Willen hat Dieto von seiner tollen Mutter geerbt. „Nach vorne schauen, Dieto. Niemals nach hinten. Das bringt nichts. Zweifeln und Hadern tun nur Feiglinge. Unsere Mutter hatte auf der Flucht mit uns zwei Kindern aus dem brennenden Dresden auch nicht gehadert oder zurückgeblickt.“ (S. 382)

Wie so oft bei den Büchern von Hera Lind ist es schwer, für diese Geschichte Worte zu finden. Ein Buch, das absolut unter die Haut geht. Und auch dieses Mal geht wieder ein großes Lob natürlich an die Autorin, die hier alles sehr einfühlsam, bildhaft und dennoch absolut authentisch dargestellt hat. Sie versteht es auf einzigartige Weise, den Leserinnen und Lesern die Lebensgeschichten auf absolute spannende und mitfühlende Art und Weise näherzubringen. Ich habe mich während des Lesens allerdings gefragt, warum man nicht noch viel mehr über die eigentliche Artistentätigkeit von Dieto erfährt. Das wird von der Autorin dann aber im Nachwort absolut schlüssig erklärt. Überhaupt ist das Nachwort wieder unglaublich interessant. Von mir gibt es natürlich eine Leseempfehlung und verdiente 5 Sterne für diese ergreifende und berührende Geschichte einer großen Liebe.