Von Zerwürfnissen und Liebesgeschichten

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marcialoup Avatar

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Die Autorin Janna Steenfatt zeichnet einzigartige, lebendige und warm beleuchtete Szenen, in die man schon versunken ist, bevor man es selbst merkt.
Mit unglaublich wortgewandter Erzählkraft entsteht eine irgendwie leise, melancholisch angehauchte Geschichte, vollgespickt mit Gedanken, Gefühlen und Ereignissen der Protagonisten, die aus losen Fäden ein Garn spinnen. Schuldgefühle, Reue, Scham aber auch Stolz, Selbstwert, Bindung und Offenheit bilden Charaktere. Es gibt Sollbruchstellen, Kratzer und Zersplittertes.

Man lernt die drei Protagonisten sehr intensiv kennen:
Lukas, der Maler, der Tiere mehr mag als Menschen und ursprünglich aus Hamburg kommt,
Eva, seine Frau, Mutter ihrer zwei Kinder und Lehrerin in Leipzig,
Jette, die sich in ihrem Singleleben eingerichtet hat, von Hamburg nach Leipzig gezogen ist und in einer Videothek arbeitet, obwohl sie eigentlich einen Roman schreiben will.

Sehr intensiv ist auch die Sprache, die in angenehmem Klang dichte Szenarien kreiert, in die man als Leser wie ein stiller Beobachter vollkommen hineingezogen wird und mit Lukas im Atelier steht, die Farben riecht, die Kaffeemaschine hört und Lukas’ Anwesenheit spürt. Überhaupt spürt man die drei Protagonisten sehr nah!
Jette in ihrer selbsterwählten Einsamkeit trifft Lukas in einer Bar und man selbst sitzt am Nachbartisch und beobachtet, wie Lukas und Jette sich kennenlernen. Knisternde Lust liegt in der Luft, im diffusen Licht der Bar und dem Stimmengewirr der Gäste spürt man die Anziehung zwischen Lukas und Jette, die irgendwo beginnt und irgendwie weitergeht… während man mit Eva, die im gleichen Moment Zuhause die Kinder hütet und an Lukas denkt und aus der Erinnerung heraus die Wirklichkeit herbeisehnt, wieder in deren Realität auftaucht.
Ein weiteres Kunstwerk der Gefühle und Bilder bildet sich, als Jette durch die Kulisse von Lukas’ Familie spaziert und sich von außen betrachtet ein eigenes Familienbild malt:
„Ein Leben in kuscheligen Jacken aus Biobaumwolle“ (Zitat S. 96) existiert allerdings nur in Jette’s Vorstellung und ihre Gedanken als Single sind fast schmerzhaft und bohren in noch nicht vorhandenen Wunden, die durch Lukas’ Unvollständigkeit und Eva’s innere Kämpfe entstehen. Jeder von ihnen trifft aufeinander, entfernt sich wieder. Die Zerrissenheit, ihre Schwächen und Stärken, die sich gegenseitig entwickeln oder schon vorhanden sind treffen erneut aufeinander. Es kommt zu einem sich überschlagenden, unvorhergesehenen Ende oder hat man es kommen sehen?

Das Cover hält auf den ersten Blick vielleicht Fragezeichen bereit: hingebungsvolle, aber auch abwesende und traurige Blicke – Verzweiflung, Demut, Schmerz, Verbundenheit – festgehalten wie in einem Gemälde. Auf den letzten Blick enthält das Cover alles, was das Buch begehrt.
Selbst das beige-gelb-farbene Lesebändchen entzückt mich in seiner farblich harmonischen Abgrenzung zum babyblauen Buchumschlag. Ein rundum gelungener Roman von Zerwürfnissen und Liebesgeschichten.