Deshalb ist man doch kein Nazi.

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sabatayn76 Avatar

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‚Deshalb ist man doch kein Nazi.‘ (Track 105)

Philipp und sein jüngerer Bruder Tobias wachsen in der sächsischen Provinz auf. Nach dem Fall der Mauer sind die hier lebenden Menschen unzufrieden, fühlen sich von der Regierung vergessen und sind überzeugt, dass Versprechen nicht eingelöst wurden.

Lukas Rietzschel erzählt in seinem Debütroman ‚Mit der Faust in die Welt schlagen‘ von einer Kindheit und Jugend in der Nähe von Bautzen, von Arbeitslosigkeit und Umschulung, von Alkoholismus und fehlenden Zukunftsperspektiven, von einer weit verbreiteten Xenophobie und der Angst, noch mehr zu verlieren.

Rietzschels Roman umfasst die Jahre 2000 bis 2006 sowie 2013 bis 2015, in denen er aufzeigt, wie die Brüder aufwachsen und mit welchen Anschauungen und Meinungen sie bereits in jungen Jahren konfrontiert wurden und wie die Situation mit dem Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise, der Gründung von Pegida und der Propaganda von Thilo Sarrazin schließlich eskalierte.

Ich bin selbst in einer Kleinstadt in Sachsen aufgewachsen und beobachte seit den 1990er Jahren die zunehmende Unzufriedenheit, die ausländerfeindliche Gesinnung und die Hoffnungslosigkeit in meiner alten Heimat, obwohl es mir sehr wichtig ist zu betonen, dass dies nicht die Mehrheit der Menschen in Sachsen darstellt, sondern dass die Anhänger von Pegida und AfD einfach lauter schreien und mehr Gehör finden als diejenigen, die diese ablehnen.

Ich war sehr gespannt auf den Roman, der genau das behandelt, was ich selbst erlebt, beobachtet und erfahren habe, was mich beschäftigt und was mich in seiner Dynamik interessiert. Und ich kann sagen, dass mir der Roman alles in allem gut gefallen hat, dass ich ihn aber oft zu emotionslos gefunden habe.

Den Schreibstil empfand ich als etwas zu abgehackt, so dass er mich eher an einen Schüleraufsatz als an einen Roman erinnert hat. Auch der Sprecher Christoph Letkowski klang irgendwie gelangweilt, und ich fand es eindeutig spannender und angenehmer, den Roman zu lesen statt Letkowski zu lauschen. Sicherlich passt seine Art und Weise, den Roman zu lesen, zur eher emotionslosen Erzählweise Rietzschels, aber ich finde, als Hörbuchhörer muss man auch ein bisschen mitgerissen werden.

Unterm Strich würde ich das Buch aber empfehlen, da es sehr gut den Weg von Perpektivlosigkeit in Radikalisierung nachzeichnet und dadurch zum Verstehen des Phänomens Pegida und des Wahlerfolgs der AfD beiträgt.