Neschwitz 2000-2004 zwischen Tongruben und Steinbrüchen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
anyways Avatar

Von

Familie Zschornack hat es geschafft, nur elf Jahre nach der Wende können sie sich den Traum vom eigenen Häuschen erfüllen. Drastische Veränderungen gab es in dieser Zeit. Werke wurden geschlossen, Bewohner die ein Leben lang dort gearbeitet hatten standen nun auf der Straße. Wer das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, konnten auf Umschulungen hoffen. Nachdem der Vater von Tobias und Phillip notgedrungen zwei Umschulungen und Weiterbildungen über sich ergehen lassen musste, weil sein Berufsabschluss nicht anerkannt wurde, ist er jetzt Elektriker und mit dem Gehalt seiner Frau, die als Krankenschwester arbeitet, scheinen sich für die Ostsachsen die blühenden Landschaften tatsächlich zu erfüllen. Ihre beiden Jungs können nun wohlbehütet aufwachsen…
Zehn Jahre später …“ Tobias fragte sich, was zuerst da gewesen war. Die Straßen, die die Orte umgingen und damit leer fegten. Oder die leeren Orte, an denen jeder vorbei fahren wollte?“
Vor den Weihnachtsbäumen saßen keine Familien mehr, nur alte Pärchen vor den Fernsehern.

„Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist ein leises Porträt der Nachwendezeit in den überwiegend ländlichen Gebieten unserer Republik (ich möchte hier nicht den Osten besonders hervorheben, denn auch im Westen gibt es genau dieselben Szenarien). Es sind die vielen kleinen und großen Rückschläge der Bewohner. Althergebrachtes und auch Gewohntes verändert sich innerhalb kürzester Zeit. Strukturen lösen sich auf, Perspektivlosigkeit macht sich breit. In diesem Umfeld wachsen die beiden Jungen heran, sie erleben das Hochwasser bei Dresden, die Anschläge auf das World Trade Center und auch die „Flüchtlingswelle“ 2015. Eine Belastungsprobe, jahrelang wurde ihr kleiner Ort von der Politik vernachlässigt, doch nun ist Geld da um den Flüchtlingen eine Unterkunft zu bieten. Neschwitz sitzt auf einem Pulverfass, denn die Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen und das Gefühl des „Abgehängtseins“ haben sich schon zu tief in der verbliebenen, vorwiegend jungen Bevölkerung breit gemacht. Lukas Rietzschel beschreibt dies auf eine eher nüchterne Art, die weder anklagt noch wertet. Ich habe jedoch lange gebraucht, seinen Schreibstil zu akzeptieren. Ich fand ihn äußerst emotionslos. Eine Anreihung von zumeist kurzen Sätzen und sprunghaften Szenewechseln. Dadurch konnte ich auch gar keine Beziehung zu den Protagonisten aufnehmen, sie waren seltsam farblos. Gestört hat mich auch, das alle Beteiligten irgendwie um den „heißen Brei“ reden. Probleme werden nicht explizit angesprochen und gegeben falls ausdiskutiert, deshalb weiß man als Leser sofort dass die Geschichte nur in einem Desaster enden kann. Genau hier fehlt mir der Tiefgang, das ist mir etwas zu eindimensional. Trotzdem finde ich, ist dem Autor ein wirklich beachtliches Debüt zu einem schwierigen Thema gelungen.