Es gibt Bücher, die fühlt man einfach.

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suewid Avatar

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Sarah Lorenz, die sich bereits einer großen Beliebtheit durch ihre taz-Kolumne „PMS-Ultras“ und ihren Instagram-Account unter dem Pseudonym buchischnubbel erfreut, bringt mit „Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken“ ihren Debütroman heraus.
Ich selbst bin zunächst über den interessanten Titel gestolpert, der durch ein intensives Cover abgerundet wird. Die Gestaltung des Covers hat der Künstler Richard Kuhn übernommen, der mit dem Frauenporträt wunderbar die Stimmung des Buches einfängt.

Bevor man allerdings zu lesen beginnt, sollte eine ganz klare Triggerwarnung gegeben werden! Dieses Buch behandelt unter anderem Themen wie psychische Probleme, Missbrauch, Gewalt, Drogen- und Alkoholkonsum, selbstverletzendes Verhalten und Suizid.

Im Roman erzählt die Ich-Erzählerin Elisa in Rückblicken ihr Leben, das von der Dichterin Mascha Kaléko, die sie bewundert, geprägt ist.
Sie berichtet vom Aufwachsen in kalten Jugendschutzeinrichtungen, der wiederholten Flucht aus diesen und von ihrer Mutter – einer Frau, die ihr die Liebe und Geborgenheit verweigert und sie immer wieder von sich stößt.
Als Jugendliche sehnt sich Elisa nach einem Leben, wie dass der Christiane F. aus dem Roman „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ – sie kann sich nichts anderes vorstellen. Sie ist ein Kind, das aus dem System gefallen und nie wirklich aufgefangen wurde. Elisa schildert toxische Beziehungen, Abhängigkeiten und erlebt Missbrauch in verschiedenen Formen. Nur selten begegnet ihr wahre Freundlichkeit. Lieber holt sie sich diese durch Drogen und Alkohol.
Obwohl die Erlebnisse unvorstellbar erscheinen, wirken sie nah, rau und ehrlich. Dabei wird die Geschichte nie zu rührselig oder kalt erzählt; stets schimmert ein Funken Hoffnung durch.

Die Sprache des Romans ist eindringlich und poetisch. Sie wirkt nicht gekünstelt oder aufgesetzt, sondern frisch und lebendig. Besonders bei den einfühlsamen und melancholischen Themen gelingt es der Autorin, die Zerrissenheit der Hauptfigur, die emotionale Tiefe sowie das komplexe Geflecht ihrer Erinnerungen und Wünsche wunderbar zu vermitteln.

Besonders hervorzuheben sind die sorgfältig ausgewählten Gedichte von Mascha Kaléko, die jedes neue Kapitel einleiten.
Die Autorin drückt ihre Dankbarkeit und Wertschätzung für die Dichterin aus. So schafft sie eine Verbindung zwischen Lesenden und Literatur.
Was mich persönlich jedoch ein wenig gestört hat, sind die Passagen, in denen sich die Autorin wiederholt. Auch wenn diese Wiederholungen emotional und symbolisch durchaus ihren Sinn haben, erwecken sie in ihrer Häufigkeit den Eindruck, der Text drehe sich im Kreis.

Es bleibt ein Roman, der zum nachdenken oder viel mehr nachfühlen einlädt. Die Idee, dass die Werke der Dichterin mehr sind als nur Bücher, sondern eine Art Freundschaft darstellen, ist berührend.

Am Schluss möchte ich auch etwas anderes wagen.
Liebe Frau Lorenz, oder darf ich Sarah sagen? Vielen Dank, dass du anderen Leser*innen meine Lieblingsdichterin nähergebracht hast und sie mir selbst ein ganzes Stück greifbarer gemacht hast. Denn nach dem Beenden dieser Lektüre werden die Werke von Mascha Kaléko für mich mehr als nur Gedichtesammlungen in meinem Bücherregal sein; mehr als nur Poesie; sie werden zu einer Freundin, die mich begleitet.

Und vielleicht unterhalten wir uns eines Tages im Himmel über die Liebe, das Leben und die Kunst – bei einer guten Tasse Kaffee.
Eine schöne Vorstellung, die sich durch diesen Roman entfaltet.