Aufwühlendes Debüt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
_lesewesen Avatar

Von

Mit 9 Jahren kommt Elisa ins Kinderheim, abgeschoben von ihrer eigenen Mutter. Das Gefühl des Ungeliebtseins, einer Liebe, die man an- und abstellen kann, hat die Erzählerin des Buchs nie verlassen.

Tief verwundet begehrt sie gegen alles und jeden auf und macht sich mit 14 auf den Weg zur Kölner Domplatte. Mit im Gepäck hat sie „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“, das sie fasziniert. Ihr Plan: Heroin ausprobieren und mit 30 an einer Überdosis sterben. Spoiler: Der Plan ist zum Glück nicht aufgegangen. Trotzdem, ihre Zeit als wohnungsloser Punk in Köln ist geprägt von (Alkohol-)Räuschen, Betteln und sexuellen Übergriffen.

Auch im Fortgang der Geschichte erleben wir Selbstzweifel, die Suche nach Liebe und toxische Beziehungen, an denen sie lange festhält.

Wieder einmal keine leichte Kost, in einem Durch konnte ich es nicht lesen, zu sehr hat es mich aufgewühlt. War ich damals frischverliebt an der nicht ganz nüchternen Protagonistin vorbeigelaufen? Und wie ist es eigentlich meiner Mitschülerin von damals ergangen, die sich mit Dosenbier in die Chaostage stürzte?

Sarah Lorenz hat ein starkes Buch geschaffen, das durch seine schonungslose Offenheit und durch seine ganz spezielle Struktur besticht. So ist das Buch ein (einseitiges) Gespräch mit der Dichterin Mascha Kaléko, jedem Kapitel ist eins ihrer Gedichte vorgestellt und wird in Beziehung zum Leben der Protagonistin gesetzt. Viele Jahre lang haben die Gedichte Elisa durch ihr Leben getragen, was könnte also mehr Sinn machen, als diese mit ihrem Werdegang zu verknüpfen?

Ein lesenswerter autofiktionaler Roman, der einem jedoch einiges abverlangt: 4/5. Für Gute Laune-Momente sorgten Punk-Namen wie Eimer oder Ketchup und Kalékos Gedicht „Ansprache eines Bücherwurms“.