Kleine Pflanze Hoffnung

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botte05 Avatar

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„Wenn es im Sommer abends sehr heiß ist in der 'Festung', deckt Beatrices Mutter den Tisch auf dem Balkon, zündet Kerzen gegen die Mücken an, und der Vater lächelt und sagt: ‚Nächstes Jahr fahren wir ans Meer.‘
Im Stockwerk drüber jedoch wird Alfredo von seinem besoffenen Vater mal wieder halb tot geprügelt.“ – Zitat Buchrücken.

La Fortezza – Die Festung; ein klangvoller Name für eine Stadt, ein Versprechen von Schutz und Sicherheit. Aber sicher scheint hier nur eines: wenn Du hier gestrandet bist, hast Du im Leben keine Chance. Hier wachsen sie auf: Beatrice und Alfredo, genannt die Zwillinge, da sie unzertrennbar scheinen, seit Beas Eltern Alfredo vor seinem brutalen Vater gerettet haben. Von Beas Seite aus ist es eine Hass-Liebe; sie liebt ihren neuen Bruder von Herzen, neidet ihm aber die Liebe und den Schutz, welche ihm – insbesondere von der Mutter – zu Teil werden.

Unfähig, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen, umgibt sich Bea mit einer Unnahbarkeit, welche sich in kleinen und großen Raufereien widerspiegelt und völlig im Gegensatz zur Harmonie steht, wenn die beiden, gemeinsam mit Beas Bruder Francesco, im großen Bett aneinander gekuschelt schlafen. Die Unschuld der Kindertage vergeht mit dem Heranwachsen, andere, vermeintlich falsche Gefühle brechen sich Bahn, so das Bea sich mehr und mehr um Distanz bemüht, unfähig, ohne Alfredo sein zu können.

Als sich Bea in einem Sommer die Chance bietet, fährt sie mit der Pfarre ans Meer. Der Klosterbetrieb und die strengen Regeln können Beatrice dieses wunderbare Erlebnis nicht vermiesen. Und noch besser: sie findet eine Freundin, kann ihre Ferien verlängern und eine andere Welt kennenlernen. Und sie definiert ein Ziel: La Fortezza verlassen, die Vergangenheit abstreifen und anderswo ein neues Leben führen.

Zunächst hält das Leben für Beatrice jedoch einen anderen Weg bereit. Ein Weg schwer, steinig und schier ausweglos. Aber Bea ist stark, sehr stark und hat den Mut einer Löwin. Und auch, wenn sie letztlich unermesslich viel verliert, gewinnt sie ein Versprechen von Hoffnung, welches im Laufe der Zeit Gestalt annimmt und zur Wahrheit werden kann.

„Mit Zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung“ ist ein gelungenes Debüt für Valentina D’Urbano. Zu Recht hat sie hiermit bei einem Schreibwettbewerb als Siegerin hervorgehen und die Veröffentlichung dieses Buches gewinnen können.
Die Autorin schreibt klar und deutlich, beschönigt nichts und greift in ihrer Sachlichkeit mitten ins Herz. Das Buch ist in der Ich-Form aus Sicht von Bea geschrieben, gewährt so einen direkten Blick auf das Geschehen. Zu Anfang ist mir als Leserin gar nicht klar, worum es in diesem Buch überhaupt gehen wird. Ganz behutsam nimmt Valentina D’Urbano mich an die Hand und Schritt für Schritt beschreiten wir den Weg aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Unvorbereitet eröffnet sich mir die ganze Wahrheit, aber ich kann nicht wegsehen, gebe mich der Hoffnung hin, muss mich letztlich jedoch der Realität stellen.

Es böte sich an, hier den Vergleich zu einem Buch aus meiner Jugend anzuführen; dies würde aber meines Erachtens zu viel verraten, was jedem potentiellen Leser die Unvoreingenommenheit nehmen würde. Das Cover spiegelt mit seinem Hintergrundbild hervorragend die „Empfindungen des Buches“ wider.

Für mich ein sehr gutes Buch, ein Buch, welches vielleicht besonders für junge Heranwachsende geeignet sein könnte.

Rezension: Valentina D’Urbano, Mit Zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung, dtv - Deutscher Taschenbuch Verlag, Literatur, 280 Seiten, 14,90 €, Erscheinungsdatum: 01.02.2014