Trostlos und gewaltvoll, und trotzdem irgendwie magisch

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annajo Avatar

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La Fortezza, 1970er und 1980er Jahre: Wer hier aufwächst hat schon verloren. Für die Leute, die in La Fortezza leben, gibt es kaum eine Perspektive. Die Polizei traut sich nicht ins Viertel und auch sonst scheint sich keine Obrigkeit für die hier lebenden Menschen zu interessieren. In diesem Viertel eines Bergstädtchens wächst Beatrice auf und hat dabei noch Glück, denn ihre Familie ist recht gut geraten. Auf jeden Fall besser als die des neuen Nachbarjungen Alfredo. Die beiden lernen sich im Treppenhaus kennen, nachdem Alfredos Vater den Siebenjährigen fast totgeprügelt hat. Ab diesem Moment entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, die jedoch ebenso unter Gewalt und Trostlosigkeit leidet.

Und von dieser Freundschaft handelt das Buch der jungen italienischen Autorin, die selbst in einem ähnlichen Umfeld aufgewachsen ist und mit diesem Debütroman einen Schriftstellerwettbewerb gewonnen hat. Schon zu Beginn erfährt der Leser, dass es sich um Alfredos Beerdigung handelt, zu der Beatrice im Alter von 20 Jahren gehen muss. Zunächst in Vor- und Rückblenden, später linear, wird erzählt, wie die Freundschaft der beiden begann, die so ungewöhnlich tief ist, dass Beatrice und Alfredo nur noch als "die Zwillinge" bezeichnet werden. Und gleichzeitig ist die Freundschaft brutal und die Geschichte schont den Leser nicht. Sie zeigt einem, dass man hart sein muss, um dieses Leben zu leben und dass das nicht jeder schafft. Manch einer, wie Alfredo, kommt dabei unter die Räder und doch ist das irgendwie der normale Lauf der Dinge in La Fortezza.

Mich hat diese Geschichte unglaublich berührt und ich kann ihre Magie gar nicht in Worte fassen. Denn magisch ist sie irgendwie, auch wenn sie vor Umgangssprache, manch vulgärem Ausdruck und vor allem respektlosem Umgang der Figuren miteinander nur so strotzt. Das Buch hat mich nicht losgelassen, in seinem Bann gezogen und man hat trotz der Gossensprache - zumindest in den Dialogen der Figuren - das Gefühl, ein literarisch anspruchsvolles Buch einer begabten Autorin zu lesen.
Eine zusätzliche Faszination übt das Buch durch sein Ursprungsland aus. Hier ist Italien keine malerische Landschaftskulisse für wahlweise Liebes-, Histo- oder Krimihandlung und auch steht nicht die Mafia im Zentrum. Stattdessen ist dieses Buch ehrlich und authentisch und beleuchtet die Probleme der italienischen Jugend in den 1970er und 1980er Jahren in einer Gegend, die wirtschaftlich nichts zu bieten hat.

Während mich das Cover im Laden nicht überzeugt hätte, hat mich dennoch der Titel interessiert und die Geschichte selbst hat mich letztlich restlos überzeugt. Ich habe auch Tage nach dem Beenden noch das Gefühl, mit diesem Buch einen wahren kleinen Schatz entdeckt zu haben und würde es immer wieder weiterempfehlen. Mich konnte es jedenfalls sehr begeistern.