Nicht unglücklich zu sein, bedeutet nicht, dass man glücklich ist…

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aennie Avatar

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Man ist nur nicht unglücklich. Und Romy ist ja nicht unglücklich, bei Weitem nicht. Nur ganz furchtbar genervt von ihrer Mutter, die nach einem langen, vier Tage andauernden Wochenende schleunigst im Rückspiegel kleiner werden sollte, bevor am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen ist, dass eine 27jährige einen grauenvollen Mord in bürgerlich-familiärem Umfeld begangen hat. Aber sonst? Alles okay. Sie ist gerade mit Flo in Frankfurt zusammengezogen, endlich, nach fünf Jahren Beziehung, wurde das ja mal Zeit. Liebt sie ihn? Klar, sie ist ja fünf Jahre mit ihm zusammen. Geht er ihr auf die Nerven, weil er eigentlich ein furchtbar nerviger Gamer ist, der, da er von zu Hause aus „arbeitet“ – sprich zockt und einen Blog betreibt, nicht mal mehr Hosen trägt, da man schließlich in seinen Videos nur seine obere Körperhälfte sieht? Der nicht merkt, was um ihn herum geschieht, wenn er seine Kopfhörer trägt? Seine Kisten noch immer nicht ausgeräumt hat? Unzuverlässig ist, unreif, un-dsoweiter? Auch alles ja, aber sonst ist ja alles okay, und wenn es okay ist, dann muss das doch okay sein…

Nö, ist es nicht, natürlich nicht. Denn das passt eigentlich so gar nicht zu Romy. Sie ist eine absolut strukturierte, erfolgreiche Accountmanagerin in einer Werbeagentur. Sie hat einen Plan, für alles, Planerfüllung steht jeweils an erster Stelle dieser Pläne. Und einmal gemacht, wird nicht mehr davon abgewichen. Umso merkwürdiger ist es für sie, dass sie tatsächlich über eine Zufallsbekanntschaft mit einem sehr gut aussehenden Designer-Schreiner, den die Mitfahr-App in ihr Auto gespült hat, viel mehr nachdenkt, als dass so zu ihr passt. Aber es war einfach – Magie, Schicksal, Kismet, Zufall. Ganz egal was, es passt einfach zwischen ihr und Leon und auch Dexter, dem Rhodesian Ridgeback auf der Rückbank. Aber das wiederum passt doch nicht in Romys Plan! Und nun?


Ich muss ja ehrlich sagen, dass ich aufgrund des Titels erst einmal einen kleinen Bogen um das Buch geschlagen habe. Weil ich aber Lust auf eine unkomplizierte Geschichte hatte, bin ich doch dabei gelandet. Und bin restlos begeistert. Viel viel besser als erwartet, viel viel besser als jede Menge andere Bücher dieses Genres, definitiv. Ich fand die Geschichte von Romy und Leon so schön erzählt, nicht zu kitschig, sondern einfach so wohlfühl-schön und ein bisschen lustig. Die Personen, vor allem auch Romys Freundin Sarah Ritter, die Kundin Frau „Knallkopfski“, der anstrengende Flo waren für mich allesamt gut charakterisiert, glaubhaft aufgebaut und stimmig. Das ist insgesamt ein ganz großer Pluspunkt des Buches: es ist nicht nervig und nicht dumm. Das was Romy tut, wie sie es sich schwermacht, was sie fühlt und denkt war für mich jederzeit nachvollziehbar und verständlich, so dass man denken kann, „ginge mir vielleicht genauso“, „ja, hätte ich auch ein Problem mit“ oder auch „so doof würde ich mich auch anstellen/habe ich mich vielleicht auch schon angestellt.
Ebenfalls unglaublich gut gelungen und ohne, dass es wie leider so oft bemüht wirkt, ist für mich der gesamte Komplex Popkultur in den Roman eingearbeitet. Netflix, Serien, Youtube, Blogs, dass wirkt hier kein bisschen gekünstelt, wie es einem manchmal vorkommt. Nein, wer über die 14 Netflix-Sekunden schreibt, der kennt sie auch. Geschweige denn, über die Inaktivitätsnachfrage...

Fazit: ein erfrischender, einfach schöner Roman. Genau das richtige für einen Couch-Tag, (vielleicht wenn es gerade nichts Interessanteres zum Streamen gibt), ohne große Überraschungen und Wendungen, aber so wie man es sich wünscht.