Das Bild einer ganzen Generation

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Inhalt
Die dreiunddreißigjährige Hedda verliert erst ihren Job und dann noch ihre Affäre (und heimliche Liebe) Lukas. Als das Geld auf ihrem Konto gefährlich zusammenschrumpft, packt sie kurzentschlossen ihren Koffer und reist durch Europa. Nach einem One-Night-Stand mit Milo merkt sie, dass sie schwanger ist. Zurück in Oslo erfährt sie, dass das Gesundheitssystem ihr vorschreibt, drei Tage zwischen Arztbesuch und Abtreibung Bedenkzeit einhalten zu müssen, mit Wochenende werden es fünf. Hedda denkt, reflektiert und kommt dennoch zu keiner Lösung. Oder doch?


Meinung
Elstads Roman kommt in einer kleinen handlichen Verpackung daher, die allein schon zu überzeugen weiß. Dieser kontroverse, teilweise bissige, aber in jedem Fall hochdurchdachte Roman ist nicht für jeden Leser geeignet. Wer eine Art Auflistung über Heddas Entscheidung für oder gegen ein Kind erwartet, wird enttäuscht sein. Vielmehr hat die Autorin das Leben insgesamt rund um Hedda – und alle anderen Frauen ihres Alters in ganz Europa – geschildert, auf den Punkt gebracht und mit einem sehr feinen Auge für die Realitäten, denen sich Frauen heute stellen müssen, gezeigt. Dabei geht es ins Private genauso wie in Beruf/ung, Politik, modernes und älteres Denken, Weltgeschehen, Alltag und Liebe. Es schadet indes nicht, all diesen Dingen auch gedanklich folgen zu können und damit über eine gewisse Allgemeinbildung zu verfügen.
Hedda ist Anfang dreißig, macht als Journalistin was mit Medien, wird aber wegrationalisiert, lebt allein, schafft nichts Beständiges, weiß vieles ungefähr, aber das nicht bis in die Tiefe und läuft, wenn es brenzlig wird, davon. Sie ist das perfekte Bild ihrer Generation – und sie gerät an ihre Grenzen, als das Leben nicht mehr spaßig ist, sondern ernst wird. Denn wie immer kommt es alles auf einmal. Natürlich ist sie eine moderne junge Frau, trifft ihre eigenen Entscheidungen, ist gut vernetzt und trotzdem ziemlich allein und letztendlich überfordert. Sie besitzt nichts und kann allein (auch nicht als Individuum) nichts aufbauen. Ihre Familie wird leider nicht erwähnt, aber der Halt in ihre Umgebung fehlt, selbst ihre beste Freundin (After Work Drinks) ist eine der Letzten, die von ihrem Dilemma erfährt. Die Männer in Heddas Leben zeigen, dass das Problem dieser Generation kein rein weibliches ist. Auch sie sind unstet, leben in den Tag hinein, suchen persönliche Freiheit und viel Selbstdarstellung, ohne einen Platz im Leben zu finden.
Hedda nun hat nichts, auf das sie sich stützen könnte, als der Alltag über sie hereinbricht. Hilfe vom Staat gibt es nicht, die Leute in ihrem Leben können ihr ebenfalls nicht helfen. Sie hat „nur mal gehört“, dass das Gesundheitssystem in Norwegen sehr gut sein soll und auch von den Veränderungen, die politisch durchgesetzt wurden. Aber es betraf sie damals nicht persönlich, also rauschte es im medialen Blätterwald einfach an ihr vorüber. Das geht jetzt nicht mehr. Fünf Tage, um zu entscheiden, ob sie das Kind bekommt oder nicht. Aber dann taucht der Erzeuger, der eigentlich nur ein One-Night-Stand sein sollte, bei ihr auf und sie verbringen Zeit miteinander. Ob das die Sache leichter machen wird?
All das verflicht sich zu einer großen Kakophonie, die rund um Hedda abläuft und schließlich auch ihr Denken bestimmen wird. Man muss Hedda nicht mögen, um in sie und ihre (Gedanken-)Welt einzutauchen. Elstad hat mit sehr viel Feingefühl und einem sehr genauen Auge alle möglichen Aspekte des Themas, das sehr weit ist, aufgefasst, berührt und aufs Tapet gebracht. Was der Leser damit macht, ist seine Sache, aber nicht über wenigstens ein kleines Detail zu reflektieren, erscheint beinahe unmöglich. „Ich trage das Schicksal meiner Art in mir …“, ja, Hedda, absolut!
„Mittwoch also“ ist kein Buch für zwischendurch, es unterhält, indem es den Geist weckt, ein Bild einer ganzen Generation zeigt, feministisch durch Alltag ist und vor allem keinen Zeigefinger an der falschen Stelle (oder überhaupt einen) erhebt.