Und Schuld hatte Tinder

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Worum geht’s?
Hedda ist Anfang dreißig, hat ihren Job als freie Journalistin und ihre Langzeitaffäre Lukas verloren. Zur Frustbewältigung will sie nach Griechenland fliegen, entscheidet sich während einer Notlandung in Sarajevo dagegen und will lieber auf dem sicheren Boden quer durch Europa zurück nach Norwegen reisen. Bei einem Zwischenstopp in Berlin lernt sie über Tinder Milo kennen, mit dem sie ein One-Night-Stand hat. Zuhause merkt sie dann, dass sie schwanger ist und möchte schnellstmöglich abtreiben, doch das Gesundheitssystem in Norwegen zwingt sie zu einer Bedenkzeit von drei Tagen. Kurzentschlossen nimmt sie sich eine Auszeit, um heraus zu finden, wie es mit ihr und ihrem Leben weiter gehen soll.


Meine Meinung
Das Cover sticht auf jeden Fall schon mal heraus und ist auch im Bücherregal ein echter Blickfang. Längere Zeit darauf zu starren, würde ich persönlich jetzt aber eher nicht empfehlen.

Die Grundidee der Geschichte finde ich super spannend zumal Abtreibung ja momentan auch eines der gesellschaftlichen Themen ist, welches äußerst kontrovers diskutiert wird. Diese Tatsache wird auch im Buch aufgegriffen, was ich persönlich schon ziemlich wichtig fand.

Den Schreibstil fand ich sehr leicht zu lesen, auch wenn ich manchmal ein wenig über die sehr zynische Art von Hedda gestolpert bin. Die teils harsche Wortwahl und den Sarkasmus der Protagonistin kann man so oder so deuten, vielleicht ist es einfach ihr Charakter, vielleicht sind es aber auch hormonbedingte Stimmungsschwankungen. Für mich hat das jedoch keinen besonders großen Aufhänger dargestellt, sondern maximal eine ab und an wiederkehrende Irritation.

Gleichzeitig gibt es jedoch auch etliche Passagen, in denen mich Heddas Art ziemlich zum Lachen gebracht hat, ebenso wie Milo, der mit seinen verrückten Geschäftsideen und dem Talent, auf die unmöglichsten Arten Geld zu verdienen eine echte Persönlichkeit darstellt.

Ob sein Lebensentwurf – oder das, was vorgibt eine Art Lebensentwurf zu sein – überhaupt in irgendeiner Art und Weise zukunftsfähig oder auch nur halbwegs realistisch ist, sei jetzt mal dahingestellt. Trotzdem wirken sein Einfallsreichtum und seine Spontanität auflockernd auf die durch die Verwirrung von Hedda sonst ein wenig konfus anmutende Geschichte.

Hedda habe ich während des Lesens als relativ verloren wahrgenommen. Ihre mehr-oder-weniger Beziehung zu Lukas wirkte auf mich sehr einseitig, vor allem in Bezug auf das Einbringen von Gefühlen. Die im Klappentext angesprochene Selbstbestimmung der Protagonistin wirkte auf mich damit ehrlich gesagt nicht wirklich authentisch, auch wenn es natürlich jedem selbst überlassen bleibt, sich für oder eben auch gegen eine glückliche und emotional gesunde Beziehung entscheiden zu können.

Ein wenig enttäuscht war ich auch davon, dass die drei Tage Bedenkzeit, die dann ja eigentlich zu sechs Tagen wurden, nur so oberflächlich behandelt wurden. Ich hätte mir ein bisschen mehr Tiefgang gewünscht, oder zumindest ein paar mehr Einblicke in die Gedanken und die Gefühlswelt der Protagonistin. Dass sie eigentlich nicht nachdenken will – okay. Aber sie wird ja trotzdem Beweggründe für ihre Entscheidung haben, und die hätten mich persönlich schon ziemlich interessiert.

Ziemlich überrascht war ich deshalb auch, als sie dann auf einmal nach dem Ablauf der vorgeschriebenen Bedenkzeit und kurz bevor sie dann im Behandlungszimmer ihres Arztes sitzt einfach aufsteht und die Praxis verlässt. Sie wollte das Kind ja trotzdem nicht haben, deswegen konnte ich ihre Reaktion in dieser Situation ehrlich gesagt nicht so ganz einordnen.

Ein weiterer Punkt, der mir persönlich nicht so gut gefallen hat, war immer wieder das Auftauchen von Seiten, auf denen dann nur ein oder zwei Zeilen standen. Gerade bei den Foreneinträgen bin ich der Meinung, dass man die gut und gerne auch gemeinsam auf eine Seite hätte packen können. Wenn ich damit jetzt einen dramaturgischen Effekt verkenne, kann ich mich für meine analytische Inkompetenz nur entschuldigen. Für mich war allerdings der Lesefluss dadurch relativ häufig unterbrochen, was ich bei relativ kurzen Büchern – und dazu zähle ich Bücher mit weniger als 300 Seiten „echter“ Geschichte nun einmal – ein wenig problematisch finde.


Fazit
Obwohl ich „Mittwoch also“ an einigen Stellen ein wenig schwächeln sehe, hatte ich grundsätzlich schon Spaß beim Lesen. Die Charaktere sind – manchmal mehr, manchmal weniger gewollt – lustig, und werden mit Problemen konfrontiert, wie sie auch so ziemlich jeder Leser theoretisch kennen oder kennen lernen kann. Bei der Umsetzung der grundsätzlich viel Diskussionspotential bietenden Thematik hätte ich mir ein wenig mehr Tiefgang gewünscht, wobei ich auch durchaus verstehe, dass dies im Rahmen eines relativ kurzen Buches auch relativ schwer umzusetzen gewesen wäre. Insgesamt hatte das Buch zwar ein paar Schwächen, aber grundsätzlich hat mir das Lesen trotzdem gefallen.

Dafür gibt es drei Bücherstapel von mir.