Ach Remy, muss der Mörder unbedingt aus dem tollsten Berufsstand überhaupt stammen?

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kleine hexe Avatar

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Ich liebe Touristenorte nachdem die Saison schon abgeklungen ist. Dann kann man ungestört von Besuchern durch die Straßen flanieren, hat die Sonnenuntergänge für sich, kann an jedem Tisch in den Cafés oder Restaurants Platz nehmen, ohne auf einen freien Tisch warten zu müssen. Die Verkäufer und Kellner nehmen einen plötzlich als Mensch wahr, man sieht endlich Einheimische, die sich im Sommer oder im Winter zurückziehen, in der großen Masse verschwinden. Und genau da, nach dem Abklingen des Touristenstroms setzt das Buch ein. Eigentlich nein, das Buch setzt schon mit dem Titelbild ein: ein hoher stürmischer Himmel über eine wunderschöne Küste wie es sie nur in der Provence gibt.
Es geschehen Morde. Grausam, bestialisch, die Opfer – junge schwangere Frauen – werden erbarmungslos und auf schrecklichste Art gefoltert bis sie schließlich an ihren Verletzungen erliegen. Für den Leser keine leichte Kost, das mal zu verdauen. Ich musste mir immer wieder vor Augen halten: das ist Lektüre, Fiktion, kein Tatsachenbericht. Im wirklichen Leben kommt so etwas nicht vor. Obwohl, wenn ich mir manchmal so die Abendschau ansehe… Doch zurück zu den Morden. Die Polizei von Le Lavandou, (Leute, googelt den Ort! Er ist wunderschön) geht allen Spuren und Hinweisen nach, klammert sich an jeden Strohhalm in den Ermittlungen, verdächtigt die Falschen, bewirkt manches Unheil dabei aber auch Gutes. So wird nebenbei ein alter Betrüger entlarvt, der eigentlich nur versuchte sich in der beschaulichen Provence ein neues Leben aufzubauen und mit den Mordfällen nichts zu tun hat. Zu dumm, dass er bei der Erstbefragung durch die Polizei gelogen und versucht hat die Polizei mit seinen Beziehungen zu beeindrucken. Interessant fand ich, wie gerissene Lokalpolitiker versuchen die Morde zu instrumentalisieren, Wahlkampagne damit zu machen, Behauptungen aufstellen die völlig aus der Luft gegriffen sind nur um ihre Hetztiraden gegen Flüchtlinge und Asylbewerber loszuwerden. Der Mörder ist ein ganz anderer, und nur die beiden Hauptgestalten, Leon Ritter, der deutsche Rechtsmediziner und Isabelle Morell, Capitaine der örtlichen Polizei kommen ihm näher, wenn auch auf unterschiedliche Art. Dabei geraten sie beide selbst ins Visier des Psychopaten. Es kommt zum großen Showdown, der Mörder stirbt für meinen Geschmack viel zu schnell und schmerzlos, wenn man bedenkt was er seinen Opfern angetan hat. Mehr wird nicht verraten, spoilern ist eine Todsünde bei einem Krimi.
Das Buch spannend und fließend geschrieben, macht es einem nicht leicht es aus der Hand zu legen. Die „Leerlaufszenen“ zwischendrin erlauben uns Atem zu holen, die grausamen Szenen zu verdauen und auf die nächsten vorzubereiten.
Die agierenden Personen wirken lebensecht, die Meetings auf dem Polizeirevier könnten genauso stattfinden, mit Polizeichefs mit napoleonischen Komplexen, groben Zwischenrufern, und ein paar die versuchen ihre Erkenntnisse und Einwände einfließen zu lassen, auch wenn es den Oberen missfällt. Die Szenen des alltäglichen Lebens fand ich am schönsten: Boule spielen am Strand, wobei ein deutscher die Einheimischen schlägt fand ich hinreißend, und den Sonnenuntergang auf einer Terrasse bei einem Glas Rosé zu genießen – ja, wer würde sich da nicht hinzusetzen?
Ich kann dieses Buch wie auch die Vorgängerkrimis von Remy Eyssen empfehlen. Auch wenn dieses Mal der Mörder den falschen Beruf hat.