Von Rache und Wut...

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Fiona ist eine junge Frau, die vor allem eines ist: wütend. Schnell aufbrausend, gibt sie diesem Impuls immer wieder schnell nach. Doch dies hat seinen guten Grund.


"Sie war eine Kämpferin (...) Eine wütende Kämpferin. Wut war eindeutig das bessere Gefühl. Mit Wut im Bauch fühlte sie sich nicht so ausgeliefert. Wut gab ihr die Möglichkeit zu handeln. Heulen lähmte nur, machte aus ihr ein Opfer. Und das war das Letzte, was sie sein wollte." (S. 145)


Und doch war Fiona von klein auf ein Opfer. Als sie sieben Jahre alt war, wurde ihr Vater Ben vor ihren Augen verhaftet. Mit ihrem Schulranzen prügelte sie auf die Polizisten ein, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Und doch wurde ihr Vater verurteilt. Wegen Mordes.
Kurz darauf starb auch noch ihre Mutter, und Fiona wuchs fortan bei Onkel und Tante auf, als Tochter dessen, der Schande über die alteingesessene und gutsituierte Münchner Familie gebracht hatte. Und so wurde auch der Schulbesuch zum Spießrutenlauf - 'Mörderkind', so war der Name, mit dem sie von ihren Mitschülern gerufen wurde.

Ihre Wut bekam Fiona als Jugendliche nur in den Griff, wenn sie sich anderweitig auspowerte. Sport. Ritzen. Sex. Und auch als junge Frau ist der Wutpegel nach wie vor schnell hoch. Denn immer noch fühlt sie sich vor allem als eines: als das ungeliebte Kind eines Mörders.

Als Ben nach seiner Entlassung vor einem Jahr vor ihrer Tür stand, knallte Fiona ihrem Vater auch prompt die Tür vor der Nase zu. Doch nun steht unvermittelt ein Rettungsassistent in ihrer Küche, um ihr mitzuteilen, dass ihr Vater verstorben ist. Und überbringt ihr seine letzten Worte:


"Ich soll Ihnen sagen, dass er Sie immer geliebt hat, dass ihm leidtut, was geschehen ist, und dass er kein Mörder ist." (S. 26)


Fiona reagiert gewohnt kratzbürstig und wirft den Rettungsassistenten aus der Wohnung, doch das Gedankenkarussell setzt sich in Gang. Und schließlich beginnt sie die Überlegung zuzulassen, was wäre, wenn die letzten Worte ihres Vaters keine Lüge wären...

In dem neuesten Kriminalroman von Inge Löhnig steht nicht wie gewohnt Kommissar Tino Dühnfort im Mittelpunkt der Ermittlungen, sondern Fiona Jakoby, die allmählich beginnt, nach der Wahrheit zu forschen, nach dem, was vor 19 Jahren wirklich geschah. Dabei wechselt die Erzählung geschickt zwischen zwei Zeitebenen und erzählt so abwechselnd die Geschehnisse um die Nachforschungen im Jahre 2014 und die Ereignisse im Jahre 1995.
Die Geschichte einer wirklich bösartigen Intrige kommt so zutage, einer Rachegeschichte, die drei Generationen einer Familie zerstört hat. Aber nicht nur die Opfer der Intrige werden hier beleuchtet, sondern auch die Person, die diese Rache verübt hat. So wird auch aufgezeigt, welch zerstörerische Folgen die Intrige auch für diese Figur im Laufe der 19 Jahre hatte.

Phasenweise eher ein Psychodrama denn ein Kriminalroman, verläuft der Spannungsbogen meist wenig dramatisch, doch unterschwellig brodelt es immer. Sprachlich gewandt, liest sich der Roman gewohnt flüssig, und die Seiten fliegen oft nur so dahin.
Eine ausgefeilte und schlüssige Geschichte um eine perfide Rache, glaubwürdige Charaktere und eine spannende Suche nach der Wahrheit machen diesen Roman zu einem Lesevergnügen. Empfehlenswert!


© Parden