Nicht zielführend

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tintenteufel Avatar

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Simon Schöbel will mit Money Mindset zum klugen Umgang mit Geld und einer aktiven Auseinandersetzung mit Finanzen und Investments ermutigen. Er zielt wie mit seinem Instagramm-Account invest_science also auf ein junges Publikum, das erst damit beginnt, die (finanzielle) Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.
Als Babyboomer mit einigen Jahren Erfahrung an der Börse gehöre ich also definitiv nicht zu den Adressaten, bin aber immer gespannt, wie der heutigen jungen Generation Inhalte vermittelt werden, die uns infolge der Tabuisierung des Themas Geld vorenthalten wurden.

Simon Schoebel will ausdrücklich nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch das Money Mindset ändern und ein neues Bewusstsein schaffen. In diesem Spannungsfeld von Theorie und Praxis muss er sich also bewähren:
In Kapitel 1 stürzt er sich gleich in den anspruchsvollen erkenntnistheoretischen Themenkomplex der Heuristiken und kognitiven Wahrnehmungsverzerrungen statt seine jungen Leser in ihrem Alltag abzuholen: ein gewagtes Experiment! Im folgenden widmet er sich psychologischen Aspekten der Einstellung zum Geld und blockierenden Glaubenssätzen. In Kapitel 4 verspricht er Investieren leicht gemacht und macht einen Parforceritt durch die Anlageformen, der jeden Anfänger überfordert. Im Kapitel über den Zinseszins versäumt er die Möglichkeit, mit konkreten Zahlen die Wirkung über die Jahrzehnte eindrucksvoll und motivierend zu demonstrieren, schade! Kapitel 6 und 7 bieten eine kurze Einführung in die Vorzüge von passiven Index-Fonds, in 8 und 9 um die Gefahren einer ‚unruhigen Hand‘. Kapitel 10 und 11 widmen sich den alternativen Investments in Immobilien, Kryptowährungen, und anderen Gütern. In Kapitel 12 geht es um kognitive Verzerrungen, die einem langfristigen Investieren in Wege stehen. Kapitel 13 bietet Anregungen zur konkreten eigenen finanziellen Planung und Zielsetzung. Kapitel 14 bemüht sich um die Einordnung des finanziellen Erfolgs in andere Aspekte des persönlichen Lebensglücks. Das Schlusswort beleuchtet ein zweites mal die anfangs thematisierten Glaubenssätze.

Wie aus meiner Ultrakurz-Zusammenfassung hoffentlich erkennbar wird, springt Simon Schöbel zwischen konkreten wirtschaftlichen Erklärungen und sozialwissenschaftlicher Metaebene relativ oft hin und her. Ich hätte es sinnvoller gefunden, die jungen Leser in ihrem Alltag abzuholen und das Problemfeld erst langsam auf weitere abstraktere Aspekte zu erweitern.
Die konkreten Umsetzungsempfehlungen genügen leider auch nicht, um ins Handeln zu kommen. Das Quellenverzeichnis am Schluss bezieht sich im wesentlichen auf die Themen der Metaebene und sind m.E. für einen Anfänger wenig hilfreich. Über das ‚Black swan‘-Phänomen zu sinnieren, bevor überhaupt die Grundzüge des Wirtschaftsgeschehens und des Geldmarktes verstanden wurden, erscheint mir eher kontraproduktiv.

Weil ich selbst wirtschafts- und sozialwissenschaftlich interessiert bin, finde ich Schoebels Denkansatz durchaus berechtigt, aber leider für die avisierte Zielgruppe ungeeignet. Meine erwachsenen Kinder haben eher ungeduldig und genervt darauf reagiert. Sie fanden z.B. das Buch von Thomas Kehl zielführender.