Spannend und warmherzig

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ichgebäre Avatar

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WORUM GEHT ES?
Mopsa ist eine weiße Maus, die für ihr Leben gern schauspielert. Als sie mit ihrem Bruder Otto vom despotischen Mäusekönig Tartar aus dem Rathausturm und von ihrer Familie weggejagt wird, beginnt für Mopsa und Otto das große Abenteuer. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe verlieren sich Mopsa und Otto auf dem Jahrmarkt. Nach einer Zwischenstation in einer Tiershow landet Mopsa in der Familie von Tereza Puhonny.

Die kleine Tereza liebt Mopsa und teilt ihre Freude zum Theater. Obwohl es Mopsa dort gut geht, vermisst sie ihren Bruder Otto sehr und macht sich zusammen mit Wellensittich Bobby auf die Suche nach dem verschollenen Otto. Sie machen die Bekanntschaft einer demokratischen Fledermauskolonie, finden aber Otto nicht. Schließlich erfährt Mopsa, dass Thereza an Weihnachten im Theater auftreten wird. Mopsa will ebenfalls auftreten, weil sie davon ausgeht, dass Otto dann sie findet statt andersherum. Ihr Plan geht auf, doch muss sie sich kurz vor der Aufführung entscheiden: Wird sie auftreten, so dass Otto sie finden kann und sie endlich im großen Theater spielt, oder wird sie den anderen Mäusen helfen, die an diesem Abend vergiftet werden sollen?

Da es sich um ein Kinderbuch handelt, sei an dieser Stelle gesagt: Die Geschichte geht gut aus, doch möchte ich die wirklich sehr elegante Lösung des Plots nicht vorwegnehmen.

MEINE MEINUNG
Meine Meinung ist dieses Mal nicht nur meine, sondern unsere. Ich habe das Buch zusammen mit meinen drei Kindern gelesen. Das Jüngste hat sich nur für die Bilder interessiert, war von diesen aber sehr begeistert. Das große (erste Klasse) und das mittlere Kind (4 Jahre) haben die Geschichte geliebt. „Die Geschichte war cool. Das „Da Capo“ [des Wellensittichs] war lustig. Und als der Mäusekönig am Ende im Abwasserkanal schwamm, das war auch lustig“, so konstatierte Kind Nummer zwei.

Und das älteste Kind stimmte zu: „Es war spannend!“ Die Zusammenfassung der Geschichte klang übrigens aus seinem Munde so: „Es waren mal alle Mäuse am Anfang im Rathaus und zum Schluss waren alle Mäuse bei den Puhonnys. Tartar war ein bisschen komisch und für die anderen Mäuse nicht gut.“

Ich stimme meinem Nachwuchs zu, dass das Buch spannend und interessant ist. Für mich kam außerdem dazu, dass es vor dem ersten Kapitel ein kurzes Vorwort gab, in dem die Geschichte zeitlich eingeordnet wurde: Frauen trugen Hüte, Herren Schnurrbärte. Es gab kein elektrisches Licht. Die Straßenbahnen wurden von Pferden gezogen. Es gab damals viel mehr Kinder als heute, und auch viel mehr Mäuse. Im Laufe der Geschichte wurde die zeitliche Angabe dann noch präzisiert. Wer meine bisherigen Buchrezensionen kennt, weiß, dass ich auf historische Details Wert lege. In diesem Buch ist das Ergebnis: Prinzipiell passt es schon.

Der Matrosenanzug war im deutschsprachigen Raum besonders zwischen 1870 und 1930 beliebt. Die Geschichte von Bertha Benz‘ erster Autofernfahrt ereignete sich 1888. Der Eiffelturm, der im Buch kurz Erwähnung findet, wurde 1889 fertig gestellt. Die Sache mit dem elektrischen Strom dagegen ist etwas komplizierter. Zwar gab es 1890 bereits Glühlampen und elektrifizierte Straßenbahnen in Europa, allerdings noch lange nicht flächendeckend. Das wirft die Frage nach dem Handlungsort auf. Es kommen süddeutsche und österreichische Speisebezeichnungen vor. Eine Frau ruft außerdem „Bílá Myš“ – was laut Onlineübersetzer sowohl tschechisch, slowakisch, ungarisch, slowenisch, kroatisch, serbisch, ukrainisch, bosnisch als auch bulgarisch oder belarussisch sein kann. Wenn wir also süddeutsche oder österreichische Speisen damit verbinden, kommen wir wohl im Deutschen Kaiserreich oder der Habsburger Monarchie aus. Das erklärt auch, warum die Mäuse eine Monarchie als natürliche Organisationsform verstehen.

Inhaltlich begleiten wir Mopsa nicht nur auf ihrem Abenteuer, sondern auf dem Weg zu sich selbst: Ist ihr das persönliche Ziel wichtiger als das Wohl der Gemeinschaft? Welchen Wert hat die Schauspielerei für sie? Gerade jetzt, da die Schauspielkunst erfahren muss, nicht systemkritisch zu sein, zeigt Mopsa, wie elementar Schauspielerei auch im Alltag sein kann.

Mopsa schließt Freundschaften, macht Fehler, erbittet Hilfe und spürt Trauer, Wut, Angst, Freude und Erleichterung.

Die kleinen pädagogischen Exkursionen sind meinem Nachwuchs wohl kaum negativ aufgefallen, mir aber sehr präsent. So geht es unter anderem um die Unterschiede zwischen einem despotischen Alleinherrscher und einer demokratischen Ordnung. Interessanterweise ist die Demokratie dabei kein selbstverständliches Allheilmittel: Zum einen muss demokratische Teilhabe geübt werden, bevor sie funktioniert, und zum anderen kann auch eine Mehrheitsmeinung für die einzelne Person (bzw. Fledermaus) unvorteilhaft sein.

Auch die männlichen und weiblichen Rollenbilder werden aufgegriffen und sehr subtil hinterfragt – allerdings die weiblichen mehr als die männlichen. So scheint es, als sei der männliche Weg derjenige, nachdem die Frauen und Mädchen streben, der ihnen aber oft verboten bleibt. Mädchen sollen drinnen spielen, süß sein und nicht öffentlich auffallen. Wie gesagt: Meinen Kindern ist das bestimmt nicht aufgefallen, mir aber schon. Ich hätte mir irgendwo den Hinweis gewünscht, dass diese Rollenaufteilung nicht nützlich ist. Beim Hinweis, dass eine Haarnadel nicht nur den Hut hält, sondern auch als Mordinstrument herhalten kann, stutze ich innerlich kurz. Rechtfertigt die Unterdrückung der Ehefrau die Ermordung des Gatten? Die Frage bleibt im Buch offen.

Ich hätte mir gewünscht, dass immerhin eine männliche Person im Buch die herrschenden Rollenbilder ebenfalls hinterfragte. Das blieb aber aus.

Angenehm fand ich den vielfältigen Wortschatz. So ergaben sich für uns immer Anknüpfungspunkte, zum Beispiel zur Frage, was denn nun ein Zylinder ist und was voluminös bedeutet. Hach, leider gibt es auch hier wieder das gemeine „Wegen-Dem“-Problem. Ich mag nun wirklich nicht mehr. Oder bin ich da einfach zu altmodisch? Immerhin sage ich auch „Der Blog“ statt „Das Blog“…
Übrigens werden Hintergrundinformationen auch immer wieder im Buch in Form von Dialogen erklärt. Das gefällt mir gut, denn so lernen die Kinder einfach das, was den Gestalten im Buch erklärt wird – sei es nun zur Demokratie oder zu einem Panoptikum.

Ein Wort noch zu den Illustrationen von Laura Fuchs: Zwar sind die Abbildungen von Mäusen, Affen, Katzen, einem Chamäleon, Fledermäusen und anderen Tieren nicht hundertprozentig naturgetreu, doch auch nicht so stark abstrahiert und verniedlicht, wie das in vielen Kinderbüchern der Fall ist. Die Farben sind angenehm und die Bilder detailreich. Besonders positiv aufgefallen ist mir, dass selbst die bildlosen Seiten nicht langweilig sind: Da gibt es Pfotenspuren, oder der Seitenhintergrund ist mal komplett in einer anderen Farbe gehalten. So macht jede Seite Spaß zum Lesen. Und obwohl das Buch 183 Seiten hat, ist die Geschichte nicht zu lang. Dafür sorgen die vielen bebilderten Seiten.


FAZIT:
Meine Kinder und ich sind uns einig: Mopsa – eine Maus kommt ganz groß raus von Charlotte Habersack ist unbedingt lesenswert. Für Eltern ist vielleicht dieser Hinweis noch wichtig: Das Buch hat 24 Kapitel und eignet sich somit auch gut als Adventskalenderbuch. Allerdings sind die Kapitel teilweise recht unterschiedlich lang. Das Versprechen, „noch ein Kapitel“ zu lesen, habe ich an manchen Tagen zu leichtsinnig gegeben.

Mopsa ist ein tolles Kinderbuch für all diejenigen, die daran glauben, dass Tiere miteinander sprechen können und eigentlich so sind wie wir Menschen – nur halt mir mehr Fell und weniger Angst vor Mäusen.