Hawthorne ermittelt wieder

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singstar72 Avatar

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Anthony Horowitz bleibt sich selbst und seinem Konzept für diese Romanreihe treu. Wieder wurde ich wunderbar unterhalten, besonders vom selbstironischen Aspekt der Handlung, der Personenzeichnung und den zahlreichen „Innenansichten“ aus dem Leben eines Fernsehautors. Der Krimi geriet für mich dabei fast zur Nebensache!

Ich fand es nützlich, auch den ersten Band zu kennen, in dem sich der Detektiv Hawthorne und der Autor Horowitz (!) zum ersten Mal für einen Fall zusammentun. Man kann diesen Band vermutlich auch als „Erstleser“ konsumieren, doch die Feinheiten und Anspielungen auf den ersten Fall machen das Lesen erst zum richtigen Genuss. Ganz offensichtlich sind diese Bände darauf angelegt, von einer treuen Fangemeinde gelesen und goutiert zu werden.

Der „Fall an sich“ ist solide, sehr durchdacht geplottete Krimikost. Ein Scheidungsanwalt wurde mit einer teuren Weinflasche erschlagen – ausgerechnet, nachdem ihm eine Mandantin im Affekt genau dies angedroht hatte! Doch Horowitz ist ein kluger Autor; allzu offensichtliche Fährten vermeidet er. Wieder werden ganz genüsslich nacheinander Zeugen befragt und Hintergründe beleuchtet. Der Watson-Verschnitt Horowitz beobachtet genau, und breitet allerhand Details vor dem Leser aus. Doch insgeheim ist Hawthorne ihm natürlich immer einen Schritt voraus!

Wie auch im ersten Band, wechseln sich die Kapitel ein wenig ab. Einerseits verfolgen wir die Ermittlungen im Weinflaschen-Fall, andererseits nehmen wir am Leben eines Drehbuchautors, der Horowitz nun einmal ist, teil. Ich habe mich köstlich amüsiert, was alles bei einem Dreh schief gehen kann – und aus welchen Gründen! Besonders gefreut hat mich, dass der selbstironische und selbstbezügliche Anteil der Handlung in diesem zweiten Band noch gestiegen ist. Der (wirkliche) Horowitz hat sich gesteigert! Für den genau beobachtenden Leser sind zahlreiche Fährten ausgelegt, die sich auf seine Tätigkeit im Filmwesen beziehen – und auch auf klassische Holmes-Geschichten.

Geschätzt ungefähr ein Drittel des Plots dieses Buches lehnt sich an den klassischen Fall der „Studie in Scharlachrot“ von Conan Doyle an, ist aber gleichzeitig nicht bloß „abgekupfert“, sondern stilsicher verfremdet und in die heutige Zeit verlegt worden. Besonders zu erwähnen ist hier natürlich die rätselhafte Schrift an der Wand. Noch eine weitere augenzwinkernde Referenz an Holmes besteht in der Kooperation des Detektivs Hawthorne mit einem Jugendlichen Computer-Nerd. Beim klassischen Holmes waren es Straßenjungen, die ausgeschickt wurden, um Informationen zu sammeln...

Vollends begeistert war ich, als der Autor das Spiel mit den Referenzen noch einen Schritt weiter trieb. Der Detektiv Hawthorne ist Mitglied in einer Lesegruppe, und die bespricht in diesem Monat ausgerechnet … genau, die „Studie in Scharlachrot“! Das Treffen der Lesegruppe war höchst unterhaltsam geschildert. Selbstverständlich wurde auch Horowitz dazu eingeladen… Dieses Kapitel war ein wahres Fest.

Wie nebenbei lässt der Autor einfließen, dass er mit seinem Verlag einen Drei-Bücher-Vertrag über Hawthorne und seine Fälle abgeschlossen habe. Selten habe ich Werbung für einen Folgeband so witzig verpackt gesehen! Schon jetzt freue ich mich auf Band 3.

Ein winziger Wermutstropfen besteht für mich eigentlich nur darin, dass schon wieder Horowitz am Ende einen Alleingang wagt, und dabei – natürlich! - in Lebensgefahr gerät. Ausgeglichen wurde das allerdings dadurch, dass der wahre Täter diesmal auf gar keinen Fall vorher vom Leser zu erraten war. Das war eine gut durchdachte Überraschung!

Ich kann gar nicht anders, als die Höchstwertung zu vergeben! Allerdings mit dem Zusatz versehen, dass – wie oben erwähnt – dies eine Reihe ist, die davon profitiert, in der richtigen Reihenfolge gelesen zu werden. Und auch die Kenntnis klassischer Holmes-Geschichten kann nicht schaden.