Nichts Ganzes und nichts Halbes

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bücherfreund54 Avatar

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Das beginnt schon mit dem Cover: Abgebildet ist eine romanische Kirche mit einem Beinhaus als Anbau. Der Titel des Buches „Mord in Montagnola“ lässt den Leser vermuten, dass es sich um eine Kirche in Montagnola handelt. Tatsächlich handelt es sich aber um die Kirche Santa Maria del sasso in Morconte, 10 km von Montagnola entfernt. Dies spielt aber keine Rolle, weil weder die eine noch die andere Kirche irgendeine Rolle in dem Roman spielen. Das Cover ist also reine Staffage. Beworben wird der Roman als „Destinationskrimi“. Dafür kommt mir aber die Beschreibung der Örtlichkeit noch zu kurz. Eine rechte Vorstellung von dem Dorf Montagnola habe ich jedenfalls nicht bekommen. Aber wenigstens spielen Briefe von Hermann Hesse, der in dem Dorf gelebt hat, eine Rolle.
Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag: Sehr realistisch wird die langwährende und qualvolle Tötung eines Mannes dargestellt. Der Leser muss vermuten, dass dieser Mann schwere Schuld auf sich geladen hat und dass sein Mörder voller Hass gegen ihn ist. Erwartet wird ein Blick in Abgründe menschlicher Seelen. Dieser bleibt dann allerdings weitgehend aus. Allein auf den letzten drei, vier Seiten deutet sich ein solcher Abgrund an. Dies führt letztlich dazu, dass der zu Beginn beschriebene Tötungsakt nicht wirklich motiviert ist.
Die Handlung selbst folgt dem Schema des „whodonit“. Der Leser erfährt die Ereignisse streng aus der Perspektive der Ermittlerin Moira. Er weiß an keiner Stelle mehr als sie. Daraus resultiert schon eine gewisse Spannung, da der Leser sich seine eigene Theorie aufstellen kann. Da aber die Psyche der Verdächtigen kaum ausgelotet wird, tappt er meist im Dunkeln. (Auf Seite 333 stellt sie übrigens extra eine Liste mit den bislang bekannten Indizien zusammen. Es sind genau drei!)
Und letztlich gelingt es auch der Ermittlerin nicht, den Fall durch logisches Kombinieren oder mit der Hilfe feiner Menschenkenntnis den Fall zu lösen. Darin sehe ich eine handwerkliche Schwäche des Romans und ein
sorgfältigeres Lektorat hätte dem Roman gut getan (immerhin verfasst der Lektor selbst Kriminalromane).
Moira ist keine ausgebildete Polizistin, sondern Übersetzerin, und sie ist zum ersten Mal überhaupt mit einem Kriminalfall konfrontiert. Dennoch heißt es relativ zu Anfang der Handlung über sie: „Moira stutzte. In ihrem Magen kribbelte es, immer ein Anzeichen, dass sie auf der richtigen Spur war.“ Immer? Es ist doch ihr erster Fall!
Sprachlich ist der Roman überwiegend solide. Doch gibt es ein paar Ausrutscher, von denen hier vier angeführt werden.
„Moira blieb dennoch liegen und spitzte die Ohren. ‚Nicht zur Polizei. Die würde uns sofort verhaften, auch wenn wir gar nichts mit dem Mord zu tun haben‘, sagte Agnes.Moira hatte das Gefühl, ihre Augen würden gleich vor ihr ins Gras kullern.“
„Moira Herz stürzte in ihren Magen - so fühlte es sich jedenfalls an. Sie kippte schnell den Wein hinterher.“
„Moiras Solarplexus wurde warm und begann zu prickeln.“
„‚Moira!‘ Lucas Stimme fuhr ihr direkt in den Solarplexus.“
Solche anatomischen Stilblüten lassen sich schon durch ein aufmerksames Lektorat vermeiden.
Bleibt festzuhalten: Ein Kriminalroman, der weder Thriller-Fans noch Liebhaber regionaler Krimis zufrieden stellen kann. Nichts Ganzes und nichts Halbes eben.