Clevere, witzig-spritzige Unterhaltung aus der Perspektive einer sympathischen, aber leider mordenden Psychotherapeutin

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Das Cover von Lilli Pabsts Roman sollte man sorgfältig lesen, denn das mit Blut getränkte Sofa gaukelt den Augen etwas von einer „Mordscouch“ vor, es geht in dem Buch aber um Sophie Stach, eine „Mordscoach“. Dieser Titel ist gleich in doppelter Hinsicht passend gewählt: Als Coach hat die Protagonistin „mordsmäßig was drauf“; angesichts ihrer ganzen Aus- und Fortbildungen im therapeutischen Bereich bezeichnet sie sich in einer erfrischenden Mischung aus Anerkennung und Selbstironie selbst als „eierlegende Wollmilchsau“. Andererseits hat sie Schwierigkeiten, all das, was sie ihren Klienten bezüglich Verarbeitung von Vergangenem und Kontrolle von aktuellen Emotionen empfehlen würde, selbst anzuwenden. Denn als Amelie, die Affäre ihres Mannes – der eigentlich Jakob heißt, auf dem Klappentext allerdings irritierenderweise als Jörn bezeichnet wird – die Dreistigkeit besitzt, in ihrer Praxis aufzukreuzen, um sie in einem vermeintlichen Erstgespräch zum einen kennenzulernen und zum anderen vor allem dafür zu sorgen, dass Sophie von ihrer Existenz erfährt, entlädt sich ihre Wut derart, dass Amelie am Ende tot in ihrer Praxis liegt und sie somit zur „mordenden Coach“ wird.

Das ist kein Spoiler, sondern natürlich erst der Anfang einer sich an Dramatik zuspitzenden Geschichte, deren besonderer Reiz darin liegt, dass sie uns aus Sophies Perspektive erzählt wird und in pointierter, stellenweise bewusst derber Sprache deren permanentes Hin- und Hergerissen-Sein zwischen ihren starken Gefühlen als Mensch und der perfekten Analyse dieser Gefühle als Psychotherapeutin zeigt.

Hierbei hilft sicherlich, dass die Autorin vom Fach ist und geschickt in die Geschichte eingeflochten spannende Einblicke in Fachwissen, Gesprächsführung und Erfahrungen einer Psychotherapeutin gibt. Protagonistin Sophie weiß genau, welchen Ursprung ihre heftigen Emotionen haben und welche Diagnose sie sich selbst ausstellen würde – überhaupt geht sie erfrischend ehrlich mit sich, aber auch mit allen anderen ins Gericht – und trotzdem schafft sie es nicht, sich von einem Verhalten abzuhalten, von dem sie jedem anderen dringendst abraten würde. Immer weiter zieht sie sich ins Desaster, was sie auch genauso erkennt. Trotz ihres Mordens hat sie im Grunde einen moralischen Kompass, sodass der Leser nicht umhin kann, sie trotz allem sympathisch zu finden.

Folglich empfindet man beim Lesen einen angenehmen emotionalen Mix – einerseits mag man kaum weiterlesen, welche katastrophale Entwicklung es wohl als nächstes geben wird, andererseits muss man dringend weiterlesen, wie Sophie es hoffentlich wieder schafft, sich auch bei ihrer nächsten Aktion der sich immer enger um ihren Hals legenden Schlinge zu entziehen und ihr Tun dabei weiterhin humorvoll psychoanalytisch zu kommentieren.

Das Buch endet in einer Weise, dass eine Fortsetzung nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist. Und auch wenn ich es eigentlich nicht mag, wenn am Ende noch Erzählstränge lose in der Luft hängen, freue ich mich doch jetzt schon auf ein Wiederlesen mit dieser trotz ihrer Mordgelüste doch sehr sympathischen Psychotherapeutin.