Gute Unterhaltung mit Themen des Zeitgeists

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merkurina Avatar

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Ildiko von Kürthy ist mir von ihren frühen Werken bekannt, als Autorin perfekter Unterhaltungsliteratur, die nicht dümmlich wirkt, sondern die Klippen zum Kitsch gerade immer noch umschifft und die Nähe dazu durch einen wirklich gelungenen Witz wett macht. Und so ist es auch geblieben.
Die "heutige" Ildiko von Kürthy schafft das noch genauso gut - und sie hat ihre Themen aktualisiert: Narzissmus/toxische Beziehungen, Bodyshaming, Me-too, auch die Pandemie wird gestreift usw. Gleichzeitig wird es nie zu ernst, zu verbindlich. Psycho-Weisheiten sind klug verstreut - und dazu gehört immer wieder auch ein fröhliches Carpe diem, trotz alledem.
Die Handlungsführung ist komödienhaft stimmig und führt alle Stränge zusammen in einer traumhaften, geerbten Hamburger Villa, in der Solidarität, Weltschmerz, Lebensverarbeitung und -neuorientierung nebst Ausgelassenheit, bisweilen, zusammen kommen. Und während viel Akzeptanz und Liberalität, verschiedene Lebensformen und humane Werte die Zeilen durchwehen, wird bei soviel Aufgeklärtheit doch eine literarische Unaufrichtigkeit spürbar: Geld spielt hier (fast) keine Rolle, auch die Reichen sind (mindestens ebenso wie andere) unglücklich, im Grunde wird in diesem Buch mit Geld überwiegend und oft unauffällig nur so um sich geworfen - für gute wie schlechte Dinge, aus besten und miesesten Motiven.
Nach dem Lesen kann man kaum anders, als sich auch sehnsüchtig zu wünschen, ein:en Freund:in mit einer solchen Erb-Villa zu haben, in der man hin und wieder eine von Lebensfragen durchwirkte Seele zur Ruhe und Freundschaft kommen lassen kann. Geschickterweise wird erwähnt, dass Protagonistin Gloria in ihrer Buchhandlung dem Unterschied zwischen Unterhaltungs- und Bildungslektüre kein Gewicht gibt und Erzähltes den gleichen Wert haben darf. Und so geht es mir dann auch mit diesem Buch: Perfekte Unterhaltung (mit kleinen Schwächen).