Lebensweisheit, ernste Themen und Sprachwitz

Das ist das schönste Buch von Ildiko von Kürthy. Ich will nicht spoilern, aber am Ende möchte ich mich am liebsten zu den anderen an den Küchentisch der Villa Ohnesorg setzen und dazu gehören. Haben wir nicht alle Sehnsucht nach der Gemeinschaft von bunten, ganz verschiedenen Freunden, mit denen wir zusammen Freud und Leid, Leben und Tod teilen können? Die Charaktere wachsen einem, wie meistens in ihren Büchern ans Herz, die Schwestern Ruth und Gloria, der in ihren Büchern immer wieder auftauchende liebenswerte Erdal, seine Cousine Fatma und Rudi, der Mann, der allen den Glauben an das Gute gibt. Ich mag generell ihre leichte Art zu erzählen, den humorvollen Plauderton, in dem sie Alltagssituationen, die wir alle kennen und die uns oft nerven, durch Übertreibung und Lacher und schönen Sprachwitz ins Leichte verkehrt. Dieses Buch ist mehr und unterscheidet sich darin von den anderen. Es geht um ernste, sehr ernste Themen: Vergewaltigung, Betrug, psychische Grausamkeit, krankhafte Manipulation, Respekt und das Recht auf Freitod. Von Kürthy verknüpft sie in ihrem Buch mit dem ihr eigenen Humor, wahrer Freundschaft und echter Liebe ohne kitschig zu werden. Sie schafft es, dass man wie ihre Charaktere die Hemmungen verliert und über seine Tabuzonen, die jeder von uns in sich trägt, reden möchte – bei Hühnersuppe und Wein mit Freunden, vor denen man sich nicht schämen und nicht verstellen muss und die so bunt zusammengewürfelt sind, wie das Geschirr und Besteck vom Flohmarkt in der Villa Ohnesorg. Das Buch ist beste Unterhaltungsliteratur, es macht Spaß, es zu lesen, es amüsiert, es bringt zum Lachen und zum Weinen und bleibt auch nach der Lektüre noch bei einem. Es ist das perfekte Buch für einen Regentag oder ein Wochenende, an dem man sich zuhause mit heißer Schokolade oder Caipirinha einigelt und sich selbst etwas Gutes tun möchte. Und dann sagt Erdal zu Gloria: „Viele Menschen denken, nur was wehtut, würde helfen. Sie quälen sich durch unangenehme Übungen, Behandlungen und Beziehungen. Sie denken, da, wo die Angst ist, sei der Weg, und da, wo der Schmerz sitzt, liege auch die Lösung. Sie halten aus, statt sich zu fragen, was ihnen guttun würde, wo ihre Grenzen sind und wo ihr ureigener Weg ist. Oft liegt der Erfolg im Loslassen und nicht im Festhalten.“ Mitten in der amüsanten Lektüre halte ich inne und verinnerliche ein bisschen Lebensweisheit. Das Buch amüsiert, tröstet und entführt und gibt einem zumindest während der Lektüre den Glauben an die Menschlichkeit zurück.